piwik no script img

ZugverkehrOsten protestiert gegen Bummel-Bahn

Mit ihren jüngsten Streichplänen hängt die Deutsche Bahn AG vor allem Sachsen und Thüringen noch weiter ab. Das regt nicht nur die Grünen, sondern auch CDU und FDP auf.

Für Leipzig ist der Zug abgefahren. Der ICE zwischen Berlin und München hält nur noch alle zwei Stunden. Bild: dpa

DRESDEN taz | In Sachsen und Thüringen regt sich breiter Widerstand gegen die jüngste Streichliste der Deutschen Bahn und ihre Pläne zum Fahrplanwechsel im Dezember. Anlass ist einerseits die Verschiebung längst überfälliger Ausbaumaßnahmen auf den Strecken von Leipzig und Berlin nach Dresden oder auf der so genannten Sachsen-Franken-Magistrale nach Nürnberg.

Aber auch das Angebot von ICE-Zügen von Berlin Richtung München über Leipzig wird halbiert und alle zwei Stunden auf kürzerem Weg über Halle geführt. In Ost-West-Richtung von Frankfurt/Main nach Dresden werden die Bahnhöfe Eisenach und Weimar nur noch im Zweistundentakt bedient.

Grund für die Fahrplanausdünnung sind nach wie vor ungelöste Probleme mit der Neigetechnik, die höhere Kurvengeschwindigkeiten erlauben würde. Erneut müssen ICE-Züge zum Austausch von Radsätzen in die Werkstätten. Diese Probleme hatten bereits auf der kurvenreichen Franken-Magistrale zu Fahrzeitverlängerungen und einem kleinerem Angebot geführt.

Die erneute Verschlechterung der Bahnanbindung hat in Sachsen nicht nur bei den Grünen, sondern auch bei den Regierungsparteien Union und FDP das Fass zum Überlaufen gebracht. "Es darf nicht sein, dass der Freistaat so zum Abstellgleis wird", ließ sich Ministerpräsident Stanislaw Tillich vernehmen. In Dresden schrieben die Mitglieder des so genannten Kulturquartiers, ein Zusammenschluss von Kultur- und Tourismusinstitutionen, einen offenen Brief an Bahnchef Rüdiger Grube.

Auch Thüringens Verkehrsminister Christian Carius (CDU) beklagte die Einschränkungen. Sein Amtskollege Karl-Heinz Daehre (CDU) in Sachsen-Anhalt sieht den neuen ICE-Halt in Halle "mit einem lachenden und einem weinenden Auge", weil der Osten generell eine bessere Bahnanbindung brauche.

Schon 2008 hatte eine Studie des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts Chemnitz, Leipzig und Dresden als die am schlechtesten auf der Schiene erreichbaren Großstädte Deutschlands bezeichnet. Das Bundesverkehrsministerium gab im gleichen Jahr das EU-Projekt eines Entwicklungskorridors nach Prag auf.

Auch die Anbindung der Grenzstadt Görlitz hat sich verschlechtert. Geradezu blamabel erscheinen die Verhältnisse auf der Strecke Dresden-Berlin, die von der Dampflok 03 im Jahr 1937 schon einmal in 100 Minuten bewältigt wurde und für die man heute 37 Minuten länger braucht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

15 Kommentare

 / 
  • MA
    Melanie aus dem Osten - ähm, Thüringen!

    Liebe taz-Redakteure,

     

    ich kann mich der Kritik zum Thema "alles Osten oder was?" nur anschließen. Es geht hier um die Bundesländer Sachsen und Thüringen. Wenn ich an NRW denke, sage ich auch NRW und nicht "im Westen".

     

    Ich bin Mitte zwanzig und kann es nicht mehr ertragen, dass diese Generation 30+(+) das Land verbal in zwei Hälften spaltet. Ich bin mit 16 Bundesländern aufgewachsen und so soll es auch kommuniziert werden. Ansonsten leisten die Herren (und Damen - vllt. sind Sie in diesem Bereich fortschrittlich?!) denen Vorschub, die den Film "die Grenze" auch gern einmal live erleben wollen.

     

    Bei Statistiken und zahlreichen Analysen erlebe ich dieses Problem tagtäglich in den Medien - und es nervt!!!

     

    Mit fortschrittlichen Grüßen

    M.

  • S
    Siggi40

    @Joe: „ ... nur Straßenbau versteht (Motto: "Autoland Sachsen") und bei den Zügen spart braucht sich nicht wundern wenn er bei der öffentlichen Anbindung irgendwann das Schlusslicht sieht“.

    Leipzig steuert ganz massiv dagegen. Ein 1,3km langer Tunnel in der Leipziger Innenstadt für ca. 1 Milliarde Euro ist für ganz Europa überlebenswichtig. Hier werden Prioritäten gesetzt! Nach Fertigstellung in ca. 3 bis ... Jahren erwartet man dadurch viel mehr Touristen. So möchte man vom Schlusslicht der öffentlichen Anbindung zu Europas Nr.1 aufsteigen. Sollte das nicht klappen, dann muss der Tunnel um 1 km verlängert werden.

  • R
    Raoul

    Dann wird es Zeit, die Bahn zu privatisieren, oder?

    Hach ich liebe die Politik.

    Gerade dass SPD und CDU jetzt schreien ist doch witzig, sie treiben die Bahnprivatisiereung voran. Es geht längst nur noch um Profit und nicht mehr darum, Menschen mit einem günstigen und umweltverträglichen Verkehrsmittel zu versorgen. Die Politik ist ob ihrer Machtlosigkeit selbst schuld!

     

    Der Osten wird abgehängt, aber das ist nichts neues

  • NF
    Norman Frey

    @ Malenka P.: In dem Teil Deutschlands, der in der nicht abzuschaffenden Himmelsrichtung Osten liegt, sind die Verhältnisse nunmal anders als westlich und südwestlich davon. Das wird auch durchs Totschweigen nicht besser.

  • MP
    Malenka P.

    Welcher Osten denn? Ist die Mauer über Nacht wieder errichtet worden oder hab ich sonst irgendwas verpasst? Man sollte die Begrifflichkeiten doch genauer überdenken, denn solche Titel sind einer Wiedervereinigung, welche auch in den Gedanken der Deutschen ankommt, weniger förderlich.

  • E
    Eddy

    Ich verstehe nicht, wie diese Ausdünnung überhaupt möglich sein soll. Die ICE zwischen Berlin und Leipzig sind so voll, dass man kaum noch durch die Gänge kommt. Und dass die Bahn nun 30 km an der größten Stadt der neuen Länder mit immerhin 520.000 Einwohnern vorbeifahren will, finde ich schon fast lustig. Wer kommt nur auf solche irrwitzigen Ideen? Da kann man doch gleich von Augsburg über Halle nach Potsdam fahren - ohne Stopp in München, Leipzig und Berlin! Ein Gutes hat das Ganze aber, die S-Bahn-Strecke zwischen Halle und Leipzig wäre dann besser ausgenutzt - denn die Mehrheit der Reisenden will in die Sachsenmetropole bzw. weiter in andere Gebiete des Freistaates - dort liegt nunmal der Bevölkerungschwerpunkt der Region!

  • M
    meinnet8vdy

    Ja, Dirk hat Recht, und noch besser ist: "Stuttgart 21" hat keinen positiven Effekt auf das Schienennetz, eher im Gegenteil -- es ist in Wirklichkeit ein städtebauliches Projekt, dass man sehr gut verkauft, sprich in Landes-, Bundes- und kommunale Haushalte eingebracht hat. Das hat Michael Holzhey von der KCW auf einer Veranstaltung im Stuttgarter Rathaus am 15. Dezember 2009 sehr gut dargelegt -- http://www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=277

  • GV
    Grüne Verkehrspolitik

    Die Grünen, die sollen mal ganz ruhig sein...

     

    1998 habe ich Grün gewählt, auch mit der großen Hoffnung, dass sich die Verkehrspolitik ändert und vor allem, dass Bahnfahren attraktiver wird. Nach 8 Jahren Rot-Grün hatten sich dann die Preise fast verdoppelt, die Bahncard war viel teurer geworden und preiswerte Verbindungen (Interregio usw.) waren ganz gestrichen. Soviel zu den Grünen.

     

    Man schmückt sich mit dem Logo des Umweltschutzes, ist aber genauso machtgeil,korrupt und verlogen wie andere Parteien.

     

    Meine Stimme gebe ich nicht dafür her, dass die sich die Herrschaften auf Staatskosten ein feines Leben machen.

     

    Nie wieder.

  • B
    BigKelle

    Wie ich es wuste! Erst den Osten, durch wenig oder gar nicht vorhandener Arbeitsplatze ausbluten lassen und dann aufs Abstellgleiß!!

     

    Guten Morgen !!!!

  • M
    Micha

    ja, los, vekauft die bahn... los! vielleicht wirds besser!

  • C
    Chris

    Liebe taz,

     

    abgesehen vom Inhalt dieses Artikels wäre es schön, wenn man ENDLICH mal auf diese Verallgemeinerungen von vorvorgestern verzichten würde und statt "OSTEN protestiert gegen Bummel-Bahn" denn die Bundesländer genauer bezeichnen würde. Sowas sollte man langsam mal erwarten dürfen...auch von Schreibern aus dem WESTEN...

     

    Dass Dresden und Chemnitz schlecht angebunden sind, ist wahr. Aber Leipzig wohl kaum. Schließlich kreuzen sich hier wichtige Nord-Süd-, sowie Ost-West-Verbindungen.

  • S
    Seb

    Ich habe schon nicht verstanden, warum die ICEs aus München nur noch bis nach Berlin, und nicht mehr bis nach Hamburg durchfahren. So muss man jedes Mal in Berlin in den bereitgestellten Zug umsteigen... außer natürlich, man kommt mit mehr als 10 Minuten Verspätung in der Hauptstadt an. Dann heißt es dort immer: eine Stunde warten auf die nächste Verbindung.

     

    Dass die beiden Hauptachsen, die Nord-Süd- und die Ost-West-Verbindung über Leipzig, nun praktisch ganz wegbrechen sollen, stößt bei mir absolut auf Unverständnis. An niedriger Frequentierung der Verbindung kann es nicht liegen; zumindest der Zug zwischen Leipzig und Berlin ist immer gut gefüllt.

     

    Aber vielleicht ist es auch gut so, dass wir mal sehen, zu was die Bahn im Stande ist. Als Vorgeschmack auf den Börsengang sozusagen, der das Unternehmen von der ehemaligen Staatsbahn zur Gelddruckmaschine umbauen wird.

  • S
    Steffen

    Die Bahnverbindungen von Mitteldeutschland in andere Metropolregionen sind teils wesentlich schlechter als vor dem zweiten Weltkrieg, das betrifft zum Beispiel konstant bis sich weiter verschlechternd Dresden-Berlin. Wann wird der Vorstand endlich nach Geschwindigkeit und Pünktlichkeit bezahlt ? Als Bahnreisender will ich die DDR zurück, deren Deutsche Reichsbahn war bis 1989 ein leuchtendes Vorbild für die jetzige Deutsche Bahn, ganz besonders in Sachen Fahrplaneinhaltung, wie jeder regelmäßig Bahnreisende hier bestätigen kann, man wird förmlich auf Auto, Flugzeug und Busalternativen gedroschen, Service null, nullnull.

  • J
    Joe

    Eine Verschlechterung der Bahnanbindung in Sachsen und Thüringen ist eigentlich kaum noch möglich - es sei denn, deren Bahnnetz wird komplett abgeklemmt: Die Großstadt Chemnitz wird von Leipzig nur auf einer eingleisigen Bummelstrecke per Diesel-Schienenbus angefahren und in der thüringischen Großstadt Gera sind Oberleitungen oder gar Fernzüge völlig unbekannt. Von weniger zentral gelegenen Orten östlich der Elbe sei mal gar nicht zu reden.

     

    Kurios ist allerdings, dass die Landesherren dieser Bundesländer den aktuellen Imagetiefpunkt der Bahn ausnützen, um auf den Schienenkonzern einzudreschen. Dabei haben die Landesregierungen, die für die Zugbestellungen im Regionalverkehr zuständig sind, ihre Strukturschwäche selbst verbockt. Wer unter Verkehrsplanung immer nur Straßenbau versteht (Motto: "Autoland Sachsen") und bei den Zügen spart braucht sich nicht wundern wenn er bei der öffentlichen Anbindung irgendwann das Schlusslicht sieht.

  • D
    Dirk

    Da können sich die Ossis direkt bei den Baden-Württenbergern bedanken bzw. bei deren Regierung. Das Mega-Projekt Stuttgart 21 bindet das ganze Investionsvolumen der deutschen Bahn. Tja da bleibt dann nix mehr übrig für den Ausbau anderer Strecken. Und Verkehrsminister Ramsauer? Der baut Autobahnen...