Zugnag zu Berliner Oberschulen: Kompromiss beim Klassenlotto
SPD und Linke einig: Oberschulen sollen 30 Prozent ihre Schüler auslosen. Bildungssenator Zöllner wollte mehr, scheitert aber an seiner Fraktion.
30/60/10 - so lautet die Formel, mit der die rot-rote Regierungskoalition in letzter Sekunde noch einen bildungspolitischen Ehekrach abgewendet hat. Nachdem die SPD-Fraktion am Dienstagabend den Vorschlag ihres Bildungssenators Jürgen Zöllner abgelehnt hatte, 50 Prozent der Plätze an Gymnasien mit mehr Anmeldungen als Aufnahmekapaziät künftig zu verlosen einigten sich die Fraktionschefs Michael Müller (SPD) und Carola Bluhm (Linksparte) am Mittwochabend auf einen Kompromiss. 60 Prozent ihrer Schüler sollen solche Schulen, die mehr Anmeldungen als Plätze haben, selbst aussuchen können. 30 Prozent der Plätze werden über ein Losverfahren verteilt. Die restlichen zehn Prozent sollen Härtefällen wie Geschwisterkindern oder anderen vorbehalten sein.
Damit die Linkspartei die Kröte der abgesenkten Quote schluckt, hat der Koalitionspartner im Gegenzug ihren Forderungen zugestimmt, die künftige neue Oberschulform Sekundarschule nicht nur im personellen, sondern auch im Sachmittelbereich besser auszustatten. Damit soll ihr die Möglichkeit verschafft werden, schwache SchülerInnen besser zu fördern.
Mit der Einigung wurde nicht nur der Koalitionsfrieden in letzter Minute gerettet. Auch der Zeitplan der Schulstrukturreform kann nun vermutlich eingehalten werden. Denn am heutigen Donnerstag wird in einer Aktuellen Stunde im Plenum des Abgeordnetenhauses das Thema auf der Tagesordnung stehen. Hätten Linke und SPD keinen gemeinsames Konzept präsentieren können, wäre eine Debatte zum Debakel geworden. Zudem hätte sie die Weiterarbeit an der Schulreform, die massive Gesetzesänderungen erforderlich macht, verzögert.
Zöllners ursprünglicher Plan, entworfen in Abstimmung mit den FachpolitikerInnen beider Koalitionsparteien und von der Fraktion der Linkspartei bereits abgesegnet, war von seinen eigenen GenossInnen bereits vor zwei Wochen zunächst vertagt worden: Es bestehe noch Diskussionsbedarf, hieß es. Am Dienstagabend hatten sie statt dessen einem Vorschlag von Fraktions- und Parteichef Michael Müller zugestimmt. Der sah vor, die Quote auf 25 Prozent zu senken - inakzeptabel für die Linkspartei. abgelehnt.
Nun äußern sich alle zufrieden: "Wir werden dem Elternwillen gerecht und schaffen mehr Chancengerechtigkeit", glaubt SPD-Chef Müller. Und die Chefin der Linksfraktion sieht mit der Regelung "Bildungserfolg und soziale Herkunft entkoppelt". Ob das auch ihre jeweiligen GenossInnen so sehen, stellt sich heute heraus. Denn vor der Plenarsitzung müssen Müller und Bluhm die Ergebnisse ihren Fraktionen erneut zur Abstimmung vorlegen.
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