: Zugegriffen
■ Bild von Lukian Freud in der Nationalgalerie geklaut
Zugriff
Bilderklau in der Nationalgalerie
Nie habe ich es gebracht; aber der, der hat endlich gemacht, wozu es mir bei jedem Besuch der Nationalgalerie in den Fingern juckt. Wie oft habe ich gedacht: Jetzt machst du es. Immer spiele ich den Klau durch, suche mir ein Bild aus, beobachte die Wärter, bis sie auf ihrem Rundgang wieder erscheinen oder der Rentner links auf seinem Stuhl aus dem Nickerchen erwacht, schätze die Zeit ab, die ich zur Verfügung habe - und tue es dann doch nicht.
Was ich klaute, wär mir echt egal, aber das Gefühl, das isses. Nicht immer nur im Kaufhaus das kleine Spiel, die schnelle Fünf-Minuten-Angst für ein paar Mark Beute, sondern mal die goldene Serie, der ultimative Kick.
Aber der - oder die? - hat's gebracht, hat zugegriffen. 240.000 Mark ist das Bild des englischen Realisten Lucius Freud wert, das ein Unbekannter am vergangenen Freitag aus der Nationalgalerie stahl. 17,5 x 12,8 Zentimeter mißt das Portrait, von „Francis Bacon“ in Öl auf Kupfer, also echt handliches Format. Ich glaube ja nicht, daß der oder die Unbekannte irgendwas übrig hat für Freud; es hätte auch etwas anderes sein können, allein der Kitzel bringt's, ich weiß es genau; davor dieses dumpfe Pochen ganz tief unten im Magen, danach dieser erste tiefe Atemzug, wenn alles getan ist.
Eine elektronische Diebstahlsicherung, wie bei vielen anderen Bildern, gab es für die Leihgabe der Londoner Tate -Galerie nicht. Dafür aber war das Bild festgeschraubt, der Dieb mußte also eine Schraube entfernen.
Man, wär mir da die Pumpe gegangen. Kann ich nur meine Hochachtung äußern, wie auch die Polizei, die dem Täter „ziemliches Geschick“ attestiert. Muß ein verdammt gutes Gefühl sein, das in der Zeitung zu lesen oder zuzuhören, wenn in der U-Bahn andere darüber reden und zu wissen: ich war's. Ich aber werde es nie bringen.taz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen