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Zu willenlosen Arbeitssklaven gemacht

■ In der deutschen Colonia Dignidad in Chile sollen noch immer 70 politische Gefangene leben – als psychisch völlig zerstörte Roboter

Berlin (taz) – In der Colonia Dignidad in Chile sollen noch immer 70 politische Gefangene der Pinochet-Diktatur leben. Das behaupten das chilenische Magazin Ercilla und die Tageszeitung Las últimas noticias in Santiago. Sie berichten von Aussagen eines Postboten aus der nahe gelegenen Stadt Parral, 24 Jahre nach dem blutigen Militärputsch würden ehemalige linke PolitikerInnen und GewerkschafterInnen als willenlose ArbeitsroboterInnen eingesetzt.

Erschreckt von dieser Nachricht demonstrierten die Hinterbliebenen der Regimeopfer am Samstag vor den Toren der Deutschensiedlung. Sola Sierra, die Vorsitzende der „Vereinigung von Angehörigen der verschwundenen Gefangenen“, war sichtlich bewegt: „Es hat lange gedauert, bis wir uns damit abgefunden haben, daß unsere Verwandten tot sind“, erklärte sie vergangene Woche in Berlin, „nun scheint sich zu bewahrheiten, was viele von uns insgeheim befürchtet haben.“

Tausende Oppositionelle verschwanden während der ersten Jahre der Diktatur, von den meisten fehlt seither jede Spur. Bis heute, siebeneinhalb Jahre nach dem Ende des Regimes, sind nur wenige Fälle aufgeklärt. Unter der Leitung des wegen mehrfachen Kindesmißbrauchs gesuchten Paul Schäfer unterhielt die Colonia schon vor dem Putsch engste Kontakte zum chilenischen Geheimdienst DINA. Ein brasilianischer Geheimpolizist prahlte einmal gegenüber einer Gefangenen, es gäbe in der Colonia Leute, die an Folterungen der Gestapo teilgenommen hätten. Ihre aktive Beteiligung am Terror gegen Oppositionelle belegen übereinstimmende Zeugenaussagen von Folteropfern und FoltererInnen. In der heutigen „Villa Baviera“ wurden offenbar unter ärztlicher Kontrolle Menschenversuche und systematische Mißhandlungen ausprobiert.

Bei den überlebenden politischen Häftlingen soll brutaler Psychoterror zur Zerstörung der Persönlichkeit geführt und sie zu willenlosen Sklaven gemacht haben. Neben dem Sektenführer Paul Schäfer nimmt der Lagerarzt Hartmut Hopp bei diesen Machenschaften eine Schlüsselposition ein. In reaktionären Medizinerkreisen in Chile genossen er und seine Klinik einen guten Ruf. Der Chirurg Lorenzo Cubillos, verantwortlich für die praktische Studentenausbildung an der katholischen Uni in Santiago, äußerte sich begeistert über die medizinische Versorgung in „Villa Baviera“: „Das Gerede über die Colonia ist frei erfunden. Sie müßten sich mal ansehen, was die Deutschen dort geschaffen haben!“ – Zweimal wurde Hopp bisher wegen des Vorwurfs illegaler Adoption Minderjähriger verhaftet worden. Derzeit ist er gegen Kaution auf freiem Fuß. Nun hat der oberste Gerichtshof diesen Fall an sich gezogen. Damit sind dem engagierten Untersuchungsrichter Norambuena in Parral die Hände gebunden. Paul Schäfer selbst ist vorerst fein raus: Einen Monat hatte er Zeit, sich der chilenischen Justiz zu stellen.

Ende letzter Wochen lief die Frist ab. Jetzt muß das Verfahren vorerst eingestellt werden. Jens Holst

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