Zu wenig Vollzugsbeamte: Resozialisierung fällt aus
Die Personalsituation bei den Strafvollzugsbediensteten ist angespannt. Der G20-Gipfel sorgt wegen des Untersuchungsgefängnisses Hahnöfersand für Engpässe
Erst am Wochenende hatte der Vorsitzende des Bundesverbandes der Strafvollzugsbediensteten (BSBD), Rene Müller, ein Treffen der Landesverbände in Hamburg dazu genutzt, kräftig auf die Lobbyistentrommel für mehr Personal zu schlagen. Unter dem Personalmangel leide die Betreuung der Gefangenen, sagte Müller. „Unsere eigentliche Aufgabe ist ja Resozialisierung – Betreuung von Gefangenen.“
Doch die Strafvollzugsbediensteten seien „schon froh, wenn wir die Sicherungsaufgaben gewährleisten können“, so Müller. Für vertrauliche Gespräche bliebe keine Zeit, oft müsse der Sport oder die Ausbildung in den Betrieben ausfallen und Arztbesuche und betreute Ausgänge könnten nicht stattfinden. Das wiederum würde das Konfliktpotenzial der Gefangenen ansteigen lassen, sodass die Zahl der Übergriffe auf Bedienstete zugenommen habe.
Zu wenig ausgebildet
„Die Verfehlungen der Vergangenheit rächen sich jetzt bitterlich“, konstatiert der CDU-Justizpolitiker Richard Seelmaecker und macht Justizsenator Till Steffen „persönlich“ dafür verantwortlich – womit er in gewisser Weise recht hat, obwohl die CDU die politische Verantwortung trägt. Denn es war der damalige Justizsenator Steffen, der sich 2009 nach der Förderalismusreform im schwarz-grünen Senat dem Spardiktat fügen musste und die zweijährige Ausbildung des Strafvollzugs-Nachwuches aussetzte – was er wohl heute bereut.
In Hamburg gibt es die Gefängnisse Fuhlsbüttel „Santa Fu“, Glasmoor, Bergedorf und Billwerder sowie den Jugendknast Hahnöfersand und das Untersuchungsgefängnis Holstenglacis.
Für die rund 1.700 Gefangenen sind im Strafvollzug in den sechs Gefängnissen knapp 980 Stellen für die Bediensteten vorgesehen.
Laut Justizbehörde sind zehn Prozent der Stellen nicht besetzt. Wegen der Belastungssituation kommen temporäre Vakanzen wegen Langzeiterkrankungen hinzu.
Erst im Jahr 2013 ließ die SPD-Justizsenatorin Jana Schiedek die Ausbildung für Strafvollzugsbedienstete wieder aufnehmen. Seit 2015 ist Steffen wieder Senator und hat eine „Ausbildungsoffensive“ gestartet. Statt drei Lehrgängen mit 60 Anwärtern werden fünf Lehrgänge mit 100 Auszubildenden pro Jahr angestrebt. Doch es mangelt an qualifizierten BewerberInnen.
Nicht genug Bewerber
„Die Zahl der Bewerber hat 2016 nur für vier Ausbildungsgänge gereicht“, berichtet die Sprecherin der Justizbehörde Marion Klabunde. Es sei nicht einfach, geeignete BewerberInnen zu finden – und ausgebildetes Personal für den Strafvollzug ist auf dem freien Arbeitsmarkt nicht verfügbar. „Würde irgendwo eine Justizvollzugsanstalt geschlossen, übernehmen wir das Personal sofort“, scherzt Klabunde.
Weil nun auch noch der G20-Gipfel ansteht und eine Gefangenensammelstelle (Gesa) der Polizei in Harburg für bis zu 400 in Gewahrsam genommene Demonstranten eingerichtet werden soll, warnte BSBD-Chef Müller vor einem möglichen Kollaps. Er befürchtete, „dass die Innenbehörde mit Sicherheit die Begehrlichkeit haben wird, dass wir Personal abstellen“. Doch das wird die Justiz laut Behördensprecherin Klabunde nicht machen. Die Gesa sei allein Sache der Polizei. „Wir kümmern uns nur um die Untersuchungshaft“, sagt Klabunde.
Allein das wird jedoch ein Kraftakt. Denn die Justizbehörde hat für den G20-Gipfel eigens das ehemalige Frauengefängnis Hahnöfersand zum Untersuchungsgefängnis mit 100 Haftplätzen umbauen lassen. Das Gefängnis muss mit nun zusätzlichem Personal bespickt werden. Für den Juli, rund um den G20-Gipfel herrscht deshalb eine Urlaubssperre.
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