piwik no script img

■ Zu der Debatte um ein Verbot der Deutschen VolksunionLaßt viele Mimosen erblühen!

Ritualisierte Reflexe. Immer dann, wenn die extreme Rechte einen ihrer bescheidenen Wahlerfolge einheimst, wird aufs neue diskutiert: Soll man sie verbieten? Die wiederkehrende Aufregung ist Ausdruck des Wunsches nach Verdrängung. So manchem erscheint es unerträglich, daß trotz Reeducation, trotz demokratischer Erziehung und Lernerfolge in Sachen Parlamentarismus Deutschland zu keinem besseren, sondern nur zu einem recht normalen westeuropäischen Land geworden ist. Narzistische Kränkungen des deutschen Selbstwertgefühls bleiben bei soviel Durchschnittlichkeit nicht aus. Sie versperren den Blick auf all die Vorteile, die eine parlamentarische Vertretung der extremen Rechten bieten könnte. Eine acht oder zehn Prozent starke rechtsextreme Partei im Bundestag ermöglichte den Volksparteien, endlich ihre Buhlerei am rechten Rand zu beenden. Vor allem CDU und SPD bräuchten keine Konzessionen mehr an die unsichere, aber dafür um so ausländerfeindlichere Gefolgschaft zu machen, sie könnten sich ganz auf die vornehmeren Aufgaben, zum Beispiel die Arbeitsmarktpolitik, konzentrieren.

Eine CSU, die droht, die DVU-Wähler dort abzuholen, wo sie sind, ist für den Parlamentarismus gefährlicher als jede noch so unappetitliche Rhetorik eines Gerhard Frey. Gefahr droht derzeit weniger von den radikalen Rändern als von der Unentschiedenheit der breiten politischen Mitte. Vor allem wenn diese glaubt, allein für den Machterhalt zu jedem noch so großen Zugeständnis an Rechtsaußen legitimiert zu sein. Ein Teil der rechtsextremen Wählerschaft ist nicht in den demokratischen Konsens einzubeziehen. Dies gilt es zu akzeptieren. Sie sollen das wählen, was sie sind – nationalistisch und rassistisch.

Der Blick in die Nachbarländer zeigt: Wo es wie in Österreich, Frankreich und Italien eine starke Fraktion der extremen Rechten gibt, ist eine Deutschland vergleichbare rassistische Straßengewalt unbekannt. Daß das eine mit dem anderen zu tun haben könnte, daß eine parlamentarische Vertretung das sozialverträgliche Ventil für den ohnehin vorhandenen xenophoben Überdruck sein könnte – das ist eine Debatte, die hierzulande bisher nicht stattfindet.

Laßt viele Mimosen erblühen! Deutschland befindet sich in der komfortablen Situation, mit NPD, DVU und den Reps über drei rechtsextreme Parteien zu verfügen. Bislang ließen die noch keine Gelegenheit aus, sich wechselseitig gegen das Schienbein zu treten. Daran sollte man sie nicht durch ein vorschnelles Verbot hindern. Eberhard Seidel-Pielen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen