Zu Besuch bei einer Umarmerin: Meineliebemeineliebe
Die Inderin Amma gilt als göttliches Wesen, sie tourt um die Welt und umarmt Menschen, 12.000 an einem Wochenende in Berlin.
Als Erstes hört man die Stimmen. Häuser für Arme, eine Universität, ein Krankenhaus, Witwen- und Invalidenrente, Katastrophenhilfe, Umweltschutz: Auf allen Ebenen des Berliner Velodroms künden Lautsprecherstimmen mit sanfter Eindringlichkeit von den wohltätigen Werken Ammas.
Amma oder Sudhamani Mata Amritanandamayi (Mutter der unsterblichen Glückseligkeit), wie sie genannt wird, gilt als indische Mahatma, als ein menschliches Wesen also, dessen Bewusstsein Erleuchtung erlangt hat. Als solche tourt sie um die Welt und umarmt Menschen. An zwei Tagen in Berlin werden es 12.000 Umarmungen sein. Um dem Ansturm Herr zu werden, mussten sie verkürzt werden. Was jeden Einzelnen dazu bewegt, sich von einer fremden Frau an die Brust drücken zu lassen, ist schwer zu sagen.
Die Schlange der Wartenden ist lang. Vier Helfer in weißen Gewändern haben sich um Ammas Thron postiert. Sie bedeuten den Umarmungswilligen, sich hinzuknien und auf ein stilles Kommando hin vor der kleinen Frau im weißen Gewand in Position zu rutschen, sobald sie an der Reihe sind. Tränen und glänzende Stirnpartien werden mit einem Kleenex abgetupft, Geschenke dezent zur Seite gelegt.
Journalisten dürfen ihr je zwei Fragen stellen. Warum sie all die Leute umarmt, will ich wissen. Amma hält mit einem an die Brust gedrückten Kopf inne. „Bedingungslose Liebe“ übersetzt ein Swami im orangenen Gewand. Bereits als Neunjährige in einem Fischerdorf im südindischen Kerala habe sie mit dem Leid in der Welt und dessen ungerechter Verteilung gehadert.
Nur die Liebe fühlen
Woran sie dabei denkt? Amma dreht sich um, diesmal ohne einen Menschen im Arm. Wie diese Frage gemeint sei, will sie wissen. Na ja, während man das macht, so den ganzen Tag, müsse man doch an irgendetwas denken, fasele ich. Amma lacht vergnügt, als sie die Übersetzung hört. Sie denke an nichts, sondern fühle nur die Liebe. „Manche Menschen verstehen das, und andere eben nicht“, übersetzt der Swami.
Als ich selbst vor Amma knie, lacht die kleine Frau wieder. Es ist ein sehr fröhliches Lachen, das ansteckt. Dann zieht sie mich an ihren weißen Sari, der würzig nach ätherischen Ölen riecht, und flüstert mir ins Ohr: „Meineliebemeineliebemeineliebe.“ Auf Deutsch.
Ich bin so verwirrt, dass ich zuerst an eine Halluzination glaube. Nach sehr langer Zeit lässt sie mich los, strahlt mich an und wirft Blumenblätter über meinen Kopf. Ich strahle zurück, fühle mich geborgen, wie ein kleines Kind, das im Sonnenschein durch den Garten tollt. Plötzlich ergibt das mit der Liebe einen Sinn.
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