Zoff im Hudson-Betriebsrat

■ Arbeitsgericht muß sich mit Wahlanfechtung bei der Strumpffabrik in Spandau befassen / Dem Betriebsrat wurde das Mißtrauen ausgesprochen

Tiergarten. Termin im Amtsgericht: Nicht mit rechten Dingen soll es bei der Betriebsratswahl am 16. März in der Spandauer Strumpffabrik „Hudson“ zugegangen sein. Die Werksleitung habe unzulässigen Druck auf die Belegschaft ausgeübt, so der Vorwurf von 128 unter rund 440 Arbeitnehmern bei „Hudson“. In einer Unterschriftenliste haben sie dem amtierenden Betriebsrat das Mißtrauen ausgesprochen und verlangen eine Neuwahl. Fünf Arbeitnehmer

-vier Arbeiterinnen und ein Arbeiter - fechten die Wahl vor dem Amtsgericht an. Mit Zeugenaussagen wollen sie belegen, daß der Werksleiter auf zwei Betriebsversammlungen zur Wahl eines ihm genehmen Betriebsrates aufgerufen habe. Außerdem sei bei der Wahl selbst manipuliert worden, monieren die Antragsteller: Briefwahlumschläge seien vorzeitig geöffnet worden, am Ende gab es mehr Stimmzettel als Stimmberechtigte. Die alte Betriebsratsmannschaft konnte sich jedenfalls knapp durchsetzen: Sie erhielt fünf der neun Sitze, die Oppositionsliste mußte sich dagegen mit vier Sitzen begnügen.

In der gestrigen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht wurden die Hintergründe für die Auseinandersetzungen um die innerbetriebliche Interessenvertretung deutlich: Die Betriebsratsminderheit und die Unterstützer der Wahlanfechtung werfen der Mehrheit eine zu enge Kooperation mit der Firmenleitung vor. Nachtschichten würden ohne Rücksprache mit den Betroffenen vereinbart - viele Männer müssen dauernd nachts Strümpfe verpacken, und das bei einem Akkordstundenlohn von etwa 15 Mark inklusive Nachtzuschlag. Dagegen wendet sich die Betriebsratsminderheit.

Bringt das Berliner „Hudson„-Werk aber nicht die von der Unternehmenszentrale in Stuttgart geforderte Leistung, wird die Produktion in ein Billiglohnland verlagert, bestätigte auch der Berliner Werksleiter Günther Patzak auf Nachfrage. Aus Angst um die Arbeitsplätze - die Mehrheit der Beschäftigten sind türkische Frauen - macht die Betriebsratsmehrheit Zugeständnisse an die Unternehmerseite.

Auf den Vorschlag des Arbeitsgerichtes, die Betriebswahl zu wiederholen, reagierte der Betriebsratsvorsitzende abweisend; er sehe keinen Grund zurückzutreten. Auch die Werksleitung zeigt sich unnachgiebig; gegen eine Wahlanfechterin wurde eine Kündidung ausgesprochen, ein Grund nicht genannt. Weitere Kündigungen gegen Arbeiter wegen eines Aufrufs gegen die Dauernachtarbeit werden vorbereitet.

Die Verhandlung vor dem Arbeitsgericht wird am 16. August fortgesetzt.

Rainer Wernicke