Zivilgesellschaft in Belarus: Unermüdlicher Einsatz für die Demokratie
Für ihr Engagement bekommt die Menschenrechtsaktivistin Ina Rumiantseva den Werner-Schulz-Preis. Ihre Eltern waren Teil der Bürgerbewegung in der DDR.
Berlin taz | Der Krieg in der Ukraine und Gaza, der Sturz des Assad-Regimes in Syrien mit noch nicht absehbaren Folgen: Wer denkt in Zeiten wie diesen noch an Belarus? Ein Land, in dem unter dem Langzeitherrscher Alexander Lukaschenko Terror gegen die eigene Bevölkerung noch immer Alltag ist? Eine macht es bestimmt: Ina Rumiantseva. Die Aktivistin und Menschenrechtlerin, die sich seit vielen Jahren für die frühere Sowjetrepublik engagiert, wird mit dem Werner-Schulz-Preis geehrt. Die Auszeichnung wird 2025 zum ersten Mal vergeben und ist mit 7.500 Euro dotiert.
Sie habe die Nachricht am 27. November per E-Mail erhalten. „Ich habe große Freude und Stolz empfunden“, sagt Rumiantseva. Es sei eine Würdigung des Engagements der belarussischen Demokratiebewegung.
Stifter des Preises ist eine gleichnamige Initiative, deren Gründer*innen die Erinnerung an den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler sowie späteren grünen Bundestags- und EU-Abgeordneten Werner Schulz wachhalten wollen. Er war am 9. November 2022 völlig unerwartet verstorben.
Die Wahl der ersten Preisträgerin hätte wohl auch Schulz gefallen. Rumiantseva werde für ihren unermüdlichen Einsatz für eine demokratische Entwicklung in Belarus ausgezeichnet, sagte der Leiter der Jury und Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen, Stephan Bickhardt. „Wie Werner Schulz engagiert sie sich mutig und unermüdlich für die Bürgerrechte in Belarus und einem gesellschaftlichen Konflikt, der in Deutschland aktuell wenig Beachtung findet. Dabei sind die Menschen 2020 auch dort für mehr Freiheit auf die Straße gegangen, so wie wir 1989.“
An diese Proteste dürfte sich auch Rumiantseva noch gut erinnern. 1976 wurde sie in Ostberlin geboren, ihre Eltern waren Teil der Bürgerbewegung in der DDR. Nach einem Studium der Volkswirtschaft war sie in verschiedenen Unternehmen und Organisationen mit dem Schwerpunkt Osteuropa tätig, unter anderem für den Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Mit ihrem aus Minsk stammenden Mann setzt sie sich seit 2020 für die belarussische Zivilgesellschaft und deren Rechte ein. In diesem Jahr fanden Präsidentschaftswahlen statt, die, wie immer, wochenlang Tausende Belaruss*innen zu Massenprotesten auf die Straßen brachten.
1.299 Personen im Gefängnis
Im Herbst 2020 baute Rumiantseva für den Verein Razam (Zusammen) die Plattform „Arbeitskreis“ auf, in der sich über 100 Expert*innen und Nichtregierungsorganisationen vernetzen. Damals war in Belarus bereits wieder Friedhofsruhe eingekehrt, die internationale Aufmerksamkeit begann merklich zu sinken. Im November dieses Jahres initiierte sie die Taskforce Belarus. Diese setzt sich vor allem für politische Gefangene in Belarus ein. Von ihnen gibt es viele, auch wenn Lukaschenko – je nach Laune – immer mal wieder einige von ihnen frei lässt. Die belarussischen Menschenrechtsorganisation Vjasna listet unter dieser Kategorie 1.299 Personen (Stand: 19. Dezember 2024), die unter menschenverachtenden Bedingungen einsitzen.
Da liegt es nur nahe, dass Rumiantseva, die bei wöchentlichen politischen Andachten in der Berlinier Gethsemanekirche über die Lage in Belarus berichtet, ihr Engagement in dieser Richtung fortsetzen will. Künftig soll es darum gehen, das Gespräch mit westlichen Diplomat*innen und Politiker*innen zu suchen und für einen neuen Ansatz im Umgang mit Belarus zu werben. „Wir dürfen Belarus nicht Russland überlassen“, sagt die Aktivistin. Wohl wahr.
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