Ziviles Streifenkommando mit unzivilisierten Methoden

In Göttingen heftet sich die vom Landesinnenministerium eingerichtete Sondereinheit der Polizei „ZSK“ mit Vorliebe an die Fersen der Linken  ■  Von Max Eckart

„Sie gelten innerhalb der Polizei als Eliteeinheit. Und sie fühlen sich auch so. Sie sind Beamte der Schutzpolizei, doch sie tragen Zivil. (...) Ihr polizeiliches Gegenüber: Angehörige der Häuserkämpferszene ebenso wie Einbrecher, Sexualtäter, Gewalttäter. Ihre Einheit: seit Mitte vergangenen Jahres die erste und bislang einzige in Niedersachsen. Ihre Bezeichnung, vertrauliche Dienstsache...“

Mit diesen flotten Formulierungen stellte das Anzeigenblatt 'Blick‘ der Göttinger Öffentlichkeit am 4. März 1982 eine neue Polizeitruppe vor, die in den folgenden Wochen und Monaten auch bundesweit für Schlagzeilen sorgen sollte: Das Aufklärungs- und Festnahmekommando AUFKDO. „Die Auswüchse nach Demonstrationen“, so begründete der damalige Göttinger Polizeichef Mogwitz die Notwendigkeit der neuen Einheit, „hatten sich in einem solchen Maß zur Gewalttätigkeit hin entwickelt, daß wir von der Defensivtaktik abrücken und zur Offensivtaktik übergehen mußten.“

Die „Elite-Jungs mit der schnellen Zunge“ ('Blick‘) rekrutierten sich aus freiwilligen, wenn auch sorgfältig ausgewählten Beamten der Schutzpolizei; Polizisten, wie das 'Göttinger Tageblatt‘ am 3. April 1982 präzisierte, die „den speziellen Auftrag hatten, den harten Kern der Hausbesetzerszene aufzuhellen, Straftaten vorzubeugen und umfassend aufzuklären“.

Das AUFKDO bestand aus rund 50 in Zivil arbeitenden Beamten, die direkt der Leitung der Göttinger Schutzpolizei -Inspektion (SPI) unterstellt und aus dem üblichen Streifendienst ausgegliedert waren. Mit dem Spuren -Dokumentationssystem SPUDOK, einem eigens zu Göttinger Zwecken programmierten Elektronischen Notizbuch, heftete sich die Einheit an die Fersen der Göttinger Linken. Die Beamten speicherten KneipenbesucherInnen und DemonstrationsteilnehmerInnen, Wohngemeinschaften und Kraftfahrzeugkennzeichen über Monate hinweg in das SPUDOK -System ein und versetzten sich somit in die Lage, von ihren jeweiligen Standorten aus in Sekundenschnelle Diagramme über Personen, Verbindungen, Kontakte und Fahrzeuge unter nahezu beliebigen Stichworten zu erstellen.

Durch aufgefangene und später unter anderem in der von zahlreichen Göttinger Initiativen herausgegebenen Broschüre 'Lauschangriff‘ veröffentlichte Funksprüche konnte nachgewiesen werden, daß Einsatzauftrag und politisches Feindbild des von den übrigen Polizeistrukturen abgeschotteten AUFKDO nahezu vorbildlich miteinander harmonierten. Eine Kostprobe:

A: „Zwei von unseren Freunden stehen am Theaterkeller, spielen Anhalter. Ihr könnt sie ja mal mitnehmen.„

B: „Jau!“

C: „Im Kerstlingeröder Feld, da werden sie rausgeschmissen.“

A: „Kleines Loch hacken, reinschmeißen.“

Und noch eine:

A: „Beim Musikhaus Hack sind welche im Laden. Wir sind am Ort...„

B: „War da noch was?“

A: „Nee, nee, der hatte nur 'ne bißchen große Lippe.“

B: „Hatte 'ne dicke Lippe? Können wir ihn mit aufmischen?“

A: „Ach nee, lohnt sich nicht.“

C: „Und ich hatte schon 'ne Wette auf dich abgeschlossen, daß du heute 'n Widerstand bringst.“

B: „Nur bei Kurtchen W. haben wir ja 'n bißchen mit angefaßt.“

A: „Na immerhin, es geht aufwärts.“

B: „Es geht wieder an!“

A: „Wunderbar!“

Diese Funksprüche, die nach Bekanntwerden von der Polizeiführung bestätigt wurden, sorgten für teilweise heftige öffentliche Kritik.

Die SPD-Landtagsabgeordnete und Bundesvorständlerin Inge Wettig-Danielmeier sprach von „Django-Methoden“ der Polizei. Und als in einem spektakulären Strafprozeß gegen den Drucker und den presserechtlich Verantwortlichen einer Broschüre, in der Parallelen zwischen der „Geheimen Stadtpolizei“ und der Gestapo gezogen worden waren, das AUFKDO noch mehr unter Druck geriet, löste das niedersächsische Innenministerium die Sondereinheit auf.

Nach drei Jahren jedoch war der Winter für die geheimen Stadtpolizisten vorbei. Am 29.Mai 1986 berichtete das 'Göttinger Tageblatt‘ über ein Referat von Innenminister Möcklinghof vor Geschäftsleuten aus der Region. Dabei gab er bekannt, daß „zusätzlich zu den dreißig neuen Beamten, die zu Jahresbeginn nach Göttingen gekommen seien, eine weitere Zivileinheit (...) ihren Dienst aufnehmen werde“.

Als Nachfolgetruppe des AUFKDO stand das Zivile Streifenkommando ZSK vor seiner Gründung. Wenige Monate später war es dann soweit: Bei der Unterrichtung des Landtagsinnenausschusses über die „Vorgänge beim 'Sturmlauf‘ von etwa 100 'Randalierern‘ durch die Göttinger Innenstadt“ erläuterte Ministerialdirigent Mahn, daß seit dem 1.Januar 1987 dreißig zusätzliche Polizisten in Göttingen eingesetzt würden. Diese zunächst im Fußstreifendienst tätigen Beamten hätten im November ein Ziviles Streifenkommando gebildet.

Das ZSK setzt sich, wie sein Vorgängertrupp, aus Schutzpolizisten zusammen. Mehrere Beamte des alten AUFKDO arbeiten auch in der neuen Sondereinheit mit, die - mit eigener Kommandoführung und sogar eigenem Stempel - als dauerhafte Einrichtung geschaffen wurde.

Nächtliche Begleitung polizeibekannter Linker

Fast täglich parken ZSK-Fahrzeuge in Sichtweite des Jugendzentrums Innenstadt (JuZi); mit zum Teil riesigen Teleobjektiven werden BesucherInnen des Hauses, das vielen linken Initiativen als Treffpunkt dient, fotografiert. Dasselbe widerfährt Gästen bestimmter Szenekneipen. Immer wieder beziehen Zivilpolizisten den Parkplatz eines örtlichen Druckkollektivs in ihre Streifenfahrten ein, fast jeden Samstag beobachten ZSK-Beamte den Publikumsverkehr im alternativen „Buchladen Rote Straße“. Etliche Wohngemeinschaften erhalten routinemäßig Besuch des ZSK; oft fahren die Beamten dann vor und leuchten mit aufgeblendeten Scheinwerfern in die Hausfenster.

Äußerst beliebt ist bei den ZSKlern auch die nächtliche Begleitung polizeibekannter Linker. Diese werden bisweilen schon beim Verlassen ihrer Stammkneipen abgefangen und von Polizeifahrzeugen bis in ihre Wohnungen geleitet. Zeigen die Verfolgten nicht so schnell ihre Ausweise vor, wie es die Beamten gern hätten, geht es auch schon einmal handgreiflich zu. Zahlreiche der taz vorliegende Zeugen- und Betroffenenaussagen sowie ärztliche Atteste belegen, daß die Zivilpolizisten auch beim körperlichen Einsatz alles andere als zimperlich sind. Von ZSK-Beamten ausgestellte Bußgeldbescheide sind ein weiteres beliebtes Mittel zur Einschüchterung mißliebiger Personen. Da hat dann angeblich mal ein Rücklicht am Auto geflackert, mal jemand bei Rot die Straße überquert, und mal soll ein Hund nicht angeleint gewesen sein.

Im Zusammenhang mit dem Neuaufbau der Sondereinheit ist auch das SPUDOK-System reaktiviert worden. Anders als damals ist es heute formell allerdings der Kriminalpolizei angegliedert, genauer dem für politische Delikte zuständigen 7.Kommissariat.

Der Göttinger Kreisvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Polizeihauptkommissar Willibald Elsner, verteidigte im lokalen Wochenblättchen 'Extra Tip‘ vom 26. November 1989 die ZSK-Einsätze gegen Linke, „wenn sie (die Kollegen, d. Red.) insbesondere von den Autonomen beschimpft, beleidigt, mit Steinen beworfen, mit Leuchtraketen und Stahlmuttern beschossen und bis aufs Blut gereizt wurden“.

In einem Kommentar für das 'Göttinger Tageblatt‘ vom 27.November 1986 hatte Elsner bereits gedroht: „Jeder muß (...) wissen, daß ein Polizeibeamter in derartigen Situationen auch die Schußwaffe anwenden kann und darf. Die Frage muß erlaubt sein, ob es überhaupt noch den Polizeibeamten zugemutet werden kann, aus Fürsorgepflicht gegenüber seiner Frau und seinen Kindern oder aus eigener Selbsterhaltung, Zurückhaltung in der Anwendung (...) der Schußwaffe verlangen zu können.“