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Zwischen den RillenZitatism rolls

■ Elastica, Radiohead und Gene: der kleine Brit-Pop-Reihenhaus-Contest

Business als usual im Vereinigten Königreich: Eine blutjunge Band macht erste Gehversuche mittels zwei, drei unbedarfter Singles, dann gibt's die Titelstory in den Weeklies und viel heiße Luft. Wenn der erste Longplayer auf den Markt kommt, ist die Puste verbraucht und das allgemeine Interesse abgeflaut.

Mit Bands wie Blur, Oasis und Pulp durfte man letztes Jahr jedoch wieder ein wenig Vertrauen in den Brit-Pop investieren: Schönheit, Tiefe und Langlebigkeit über drei Monate und das erste Album hinaus verbanden sich mit mancher Ambitioniertheit. Auch die diesjährigen Nachfolger stehen da mit Elan und Steherqualitäten nicht hinten an: Elastica, Radiohead und Gene bevölkern mit ihren Alben die Pole- Positionen der UK-Charts, toppen die Pops und geben mutig auch uns die Gelegenheit, mit Fabulierlust (nenn es Geschichtsbewußtsein) und Unbekümmertheit (nenn es Freude an simplen Popsongs) einen langen Nachmittag zu erhellen und zu genießen.

Die Heraufbeschwörung von Tugenden wie virtuose Melodien, gepflegte Gitarren sowie ein nahezu durchgängiger Verzicht auf ewige Rückkoppelungsorgien (mit denen britische Bands seit „Psychocandy“ von The Jesus & Mary Chain ihr Unverstandensein mit dem öden Vorstadtleben dokumentieren mußten) sind wieder Programm – und damit die Berufung auf Helden von einst, seien es die Beatles, die Buzzcocks, die Smiths oder eben Wire und die Stranglers, in deren musikalischem Steinbruch sich Elastica auf ihren ersten Singles schamlos bedienten, und nun, wie es heißt, in Plagiatsprozesse mit deren Plattenfirmen verstrickt sind. Aber was soll das, Zitatism rollte durch all unsere Körper, und die Songs auf Elasticas Debüt sind flott und eingängig und unprätentiös – auch wenn man das alles schon mal gehört hat, selbst Abba durch manchen Refrain herumgeistern. Trotzdem flechten Elastica elegant an den Postpunkzöpfen von einst und veredeln das mit ihrem Jungmädchenpop.

Erstaunlich zudem, daß Elastica momentan nur über Sound und Songs funktionieren, wo die Band doch zu drei Vierteln aus Frauen besteht und bisher noch kein Schwein einen erneuten theoretischen Aufwasch in Form von Girlism, Postfeminismus oder ähnlichem mit ihnen gemacht hat; was ja auch von Wert ist, besonders für die Band, denn lästige Ikonisierungen weichen da interessanter Normalität.

Radiohead haben ihre Initiation schon hinter sich, und weil ihr erstes Album „Pablo Honey“ zuerst in den USA ein Indie-Renner wurde, enthält ihr Nachfolgealbum „Bends“ einiges an fettem Rockunrat, den ihnen wohl ein schlauer A&R-Mensch auf die schmächtigen Schultern gepackt hat. Bevor die ganz in Schlaffheit und Whimpismus absacken, dachte der sich, brauchen Radiohead noch ein bißchen Roughness und Geradlinigkeit, und zwar direkt before sunrise, für die richtig flüssige Schmiere zwischen Ethan Hawke und Julie Delpy (im letzen Linklater-Film): zur ultimativen Verknüpfung europäisch-bourgeois-gebildeter Nachdenklichkeit mit amerikanischem Praktizismus.

Das klappt dann eigentlich ganz gut: Da werden Jungsträume ein bißchen wahrer, darf man sich schon mal ein Mädchen imaginieren und auf diesem Weg ihrer Bewunderung sicher sein: „High And Dry“ ist so ein Song, der jeden Eckensteher seine Pickel, Einsamkeit und Schüchternheit eine Idee leichter ertragen läßt, und über alberne Dissonanzen wie in „My Iron Lung“ sieht man angesichts der zahlreichen Lennon/McCartney-Melodien, die sich Radiohead aus den Rippen schneiden, großzügig hinweg.

Sieger in diesem kleinen Brit- Contest jedoch sind Gene, vielleicht die schniekeste Jungsband im Moment auf den Inseln. Besonders der Sänger ist süß und supersexy, dazu noch eloquent. Martin Rosseter ist der geborene Narziß, wobei er sich seiner Anziehungskraft auf beiderlei Geschlecht voll bewußt ist, ohne dabei die Androgynitätsposen eines Brett Anderson zu imitieren oder sich für seine Musik einzusetzen; Kettenraucher, weil's gut ausschaut, etwas manieriert, romantisch und poetisch – als ob es einen Morrissey niemals gegeben hätte.

Reihenhausnormalität trifft auf Popstardom, womit wir bei der gängigen einheimischen Sprachregelung wären: Gene = Smiths. Aber schon beim ersten Hören würde ich für „Olympian“ ohne Bedenken vielleicht nicht die ersten Smiths-Platten, bestimmt jedoch „The Queen Is Dead“ hertauschen. Gene produzieren am schönsten diese alltäglichen, auf den Straßen herumliegenden Melodien, sind sich der Lächerlichkeit des Lebens voll bewußt und garnieren das mit diesem selbstgewissen Gekünstele, das, solange es nicht den einzigen Antrieb fürs Schaffen darstellt, immer wieder am wahrlich guten Brit-Pop imponiert.

Zu guter Letzt warten wir jetzt noch auf eine ordentliche Felt- Epigonenband, die auch heutzutage weiß, wie man Exzentrik in erlesenen Schlappheiten absaufen läßt. Worauf dann endgültig alles gut werden dürfte in UK. Gerrit Bartels

Elastica: „Elastica“ (Geffen)

Radiohead: „The Bends“ (EMI)

Gene: „Olympian“ (Polydor)

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