piwik no script img

Zielgruppe verfehltZweiter Mercado in St. Pauli

In der Rinderhalle in der Feldstraße soll ein Markt mit Leuten aus dem Viertel entstehen. Doch manchen ist schon die Miete zu hoch.

Wenn es gut läuft, in Zukunft einmal der Marktplatz des Karoviertels: ehemalige Rindermarkthalle. Bild: Miguel Ferraz

Anna Meier* ist enttäuscht. „Das können wir uns nicht leisten“, sagt die 37-Jährige aus dem Karoviertel, die einen kleinen Stand in der seit 2010 leer stehenden Rindermarkthalle eröffnen wollte. Gemeinsam mit ihrem Mann wollte sie Couscous-Gerichte verkaufen. Doch nach ersten Gesprächen mit Maßmann & Co., die für den Hauptmieter Edeka die Standflächen vermieten, verpuffte der Traum: „Das Thema war ganz schnell wieder vom Tisch, als klar wurde, was das alles kosten soll“, erzählt Meier.

Für einen festen Marktstand müssen Bewerber zwischen 30 und 50 Euro je Quadratmeter Ladenfläche zahlen. Die Miete hängt von der Branche sowie vom Umsatz ab. Je besser der Laden läuft, desto höher die Miete. Hinzu kommen Einmalzahlungen.

Das Dach über dem Stand kostet 5.000 Euro. Die Werbepauschale kostet 2.000 bis 4.000 Euro. Und für den Ladenausbau fallen nochmal mindestens 1.000 Euro pro Quadratmeter an. Für Existenzgründer bedeutet das eine Investition von mindestens 27.000 Euro.

Das gilt jedoch nur für den Basisausbau und die kleinste Ladenfläche. Die Mindestgröße liegt bei 20 Quadratmetern. „Uns hätten auch zehn Quadratmeter gereicht“, sagt Meier. Ein größerer Marktstand mit einer Ladenfläche von 60 Quadratmetern kostet mindestens 67.000 Euro.

Viel Frisches, viel Bio und eine hohe Vielfalt will Torsten Hönisch von Maßmann & Co in der ehemaligen Rindermarkthalle sehen. „Wir möchten eine ursprüngliche Markthalle, so ähnlich wie im Mercado“ sagt er und bezieht sich damit auf das 1995 eröffnete Einkaufszentrum in Ottensen. Dort gibt es auch Marktstände. Ein Kioskbetreiber gibt an, für seinen 20 Quadratmeter großen Kiosk dort etwa 3.000 Euro Miete im Monat zu zahlen.

Das ist ein Vielfaches der Miete in der Rindermarkthalle, doch in St.Pauli liegen andere Verhältnisse vor. Das sagt auch Herwig Holst, der seit 40 Jahren einen Edeka in St. Pauli betreibt: „Die Kundschaft hat einfach unterschiedlich viel Geld.“

Die Stände in dem neuen Einkaufszentrum an der Feldstraße sollen an Ortsansässige vergeben werden. So soll der Bezug zum Stadtteil und den Anwohnern gesichert werden, da es in der Vergangenheit viel Kritik am Vergabeverfahren von Maßmann & Co. gab.

„Unser Areal“ und „Keimzelle“ sind zwei von vielen Initiativen mit dem Ziel, ein größeres Mitspracherecht bei der Vergabe der freien Flächen zu bekommen. Maßmann & Co.stellten daraufhin rund 850 der 14.200 Quadratmeter für stadtteilbezogene Projekte zur Verfügung.

In einem Ausschuss bestimmen derzeit unter anderem Anwohnervertreter, wer die Flächen bekommt. Die Initiativen haben sich allerdings aus dem Vergabeverfahren zurückgezogen: „Das Verfahren hat nichts mit Beteiligung zu tun“, sagte Harald Lemke von der Initiative „Keimzelle“ damals.

Benjamin Hartmann von Maßmann & Co. sieht für Anwärter kein Problem: „Bei Existenzgründungen kann ein Kredit aufgenommen werden“, sagt er. Außerdem verweist er auf „staatliche Zuschüsse“. Für die Immobiliengesellschaft ist zumindest klar, dass die Stände nicht an große Unternehmens-Ketten vergeben werden. „Für einen Kleinunternehmer mit einem bereits gut laufenden Geschäft wäre ein Stand eine gute Möglichkeit“, findet Hartmann.

Das Vergabeverfahren für die Marktstände läuft. Die Verträge werden gerade aufgesetzt. Wer letztlich das nötige Kleingeld für einen Stand hat, wird man spätestens 2014 sehen. Im Frühjahr nächsten Jahres öffnet die Rindermarkthalle wieder ihre Türen. Dann können sich die Anwohner bei Edeka, Aldi, Budnikowsky und mit den frischen, ökologischen Angeboten der Marktstände versorgen. Nur nicht mit Couscous von Anna Meier.

*Name von der Redaktion geändert

In der ursprünglichen Textfassung zitierten wir Torsten Hönisch mit den Worten: "Wir möchten einen etwas hochwertigeren Mercado". Da wir ein Missverständnis nicht ausschließen können haben wir die Textstelle nach seinen Wünschen geändert. Die Redaktion

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • J
    j.j.

    günstig innenstadtnah wohnen? Da will ich hin, wenn sie das mal genauer erklären wollen bin ich ihnen und mit mir die ca. 100.000 anderen Leute die seit ewigkeiten in Hamburg wohnungen suchen, sehr dankbar!

  • L
    Lokstedter

    Archimboldi: Und weil die CDU bei den Verträgen der Elbphilharmonie geschlampt hat, hat man nun ein super Argument, um gegen jede Entwicklung frei von Fakten zu wettern?

     

    Abgesehen davon: Die Elbphilharmonie sollte nie 77 Millionen kosten. Diese häufig auftauchende Summe war der städtische Anteil der einst geplanten 250 Millionen. Aber ja, ist ja auch egal. Es geht um Wahlkampf.

     

    Die besagten Wohnungen wurden auch nicht vor 10 Jahren verkauft. Und daß man noch so günstig innenstadtnah wohnen kann, liegt sicherlich nicht an den Marktgesetzen. Ansonsten wären diese Viertel komplett schön durchgentrifiziert worden.

  • A
    Archimboldi

    Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten, die Elbphilharmonie wird lediglich 77 Millionen Euro kosten und in die Rindermarkthallekommt eine „ursprüngliche Markthalle, die zum Stadtteil St. Pauli passt“ . Möglicherweise ist dem SPD-Jungpolitiker Torsten Hönisch da ein freudscher Versprecher unterlaufen und ihm ist wirklich ausversehen der Begriff vom „etwas hochwertigeren Mercado“ herausgerutscht. Ist auch egal: Die SPD betreibt eine Politik, die einen Bevölkerungsaustausch in St. Pauli aktiv vorantreibt. Früher wurde noch ganz offen davon gesprochen dass man die „cityuntypische“ Bevölkerung in den innenstadtnahen Altbauvierteln durch besserverdienende ersetzen will, jetzt behauptet die SPD sie würde gegen steigende Mieten und Verdrängung vorgehen und sorgt u.a. mit dem Verkauf von 900 städtischen Wohnungen an die städtische SAGA-GWG und den schon angekündigten Mieterhöhungen (46,4 % innerhalb von 10 Jahren) dafür, dass ein großer Teil der Nachbar_innen der Rindermarkthalle in den nächsten Jahren den Stadtteil verlassen muss. Mit dem Umbau der Rindermarkthalle geht es genau darum, das Viertel weiter aufzuwerten und Einkaufsmöglichkeiten für die bessergestellten neuen Nachbar_innen zu schaffen. Ähnlich wie beim Mercado im inzwischen weitgehend durchgentrifizierten Ottensen.

  • J
    johny

    Gewöhnen Sie sich dran, Herr Hönisch, die taz steht nicht für investigativen, sondern für imaginativen Journalismus: man schreibt einfach, was passt und achtet darauf, dass ein bißchen Realitätsbezug übrig bleibt, damit die Stammleser nicht mißtrauisch werden.

  • TH
    Torsten Hönisch

    Diesen Satz habe ich so nie gesagt und er würde auch allem widersprechen, das ich an anderer Stelle geäußert habe. Auch wenn man es offenbar immer und immer wieder wiederholen muss: Die Rindermarkthalle wird KEIN (!) Deluxe-Mercado werden, sondern eine ursprüngliche Markthalle, die zum Stadtteil St. Pauli passt.

  • N
    nbo

    Einen "höherwertigen" Mercado soll es also geben. Soso. Was sagte Peter Maßmann noch am 24.9.2012 bei einer Infoveranstaltung auf St. Pauli?

     

    “1:1 das Mercado nehmen und hierher, wäre falsch… Ein 1:1-Mercado wird es auf keinen Fall geben.”