: Ziel: Fluglärmbegrenzung
■ Senat verhandelt doch wieder mit den Klägern gegen Flughafenerweiterung
Nachdem Bürgermeister Wedemeier einen Kompromiß mit den Klägern gegen den Ausbau des Bremer Flughafens noch im Sommer rundweg abgelehnt hatte (vgl. zuletzt taz vom 6.10.), kommt nun doch wieder Bewegung in die verhärteten Fronten. „Ausgleich liegt in der Luft“, sagte gestern Otger Kratzsch, Senatsdirektor im zuständigen Ressort Häfen, Schiffahrt und Verkehr, gegenüber der taz. „Ich habe einen Sondierungsauftrag, dem Wedemeier persönlich zugestimmt hat“, bestätigte der Senatsdirektor.
Schließlich drängt die Zeit, denn bereits für den 30. Oktober hat das Oberverwaltungsgericht einen Termin angesetzt, um über die Enteignung der „Grunddienstbarkeit“ zu beraten, die dem Landwirt Heinz Wähmann an der Neuenlander Straße seit 1980 zusichert, daß auf seinem ehemaligen Feld niemals Flughafenanlagen entstehen. Doch genau über diesen Grund möchte der Senat nun die Startbahn im Interesse der Airbus-GmbH verlängern.
„Die Grunddienstbarkeit muß für diesen Zweck modifiziert werden“, nennt Kratzsch eine der Verhandlungsbedingungen des Senats. Am Dienstag hatte er mit Adamietz vereinbart, sich so schnell wie möglich mit dem Anwalt des Verkehrssenators und seinem Abteilungsleiter für den Flughafen an einen Tisch zu setzen. Als Gegenleistung will Kratzsch den Flughafenanliegern die Wiederinbetriebnahme der „Querwindbahn“ anbieten, auf der kleine Flugzeuge ohne Lärmbelästigung für Kattenturm oder Stuhr in Richtung Autobahn starten könnten.
Außerdem zeigt Kratzsch auch Bereitschaft, auf die Zentrale Forderung von Anwalt Adamietz einzugehen: die Festschreibung einer „Fluglärmkontur“. Nach dem Vorbild des Stuttgarter Flughafens dürfte der Gesamtlärm aller Starts und Landungen dann einen gesetzlich festgelegten Maximalwert nicht mehr überschreiten. Adamietz hatte als Orientierung für diesen Wert auf eine Studie verwiesen, die der Senat selber in Auftrag gegeben hatte. Professor Mensen errechnete darin eine Lärmprognose für das Jahr 1995, die trotz Steigerung der Starts und Landungen von Düsenflugzeugen um ein Drittel (von heute 6.000 auf dann 9.000 pro Jahr) wegen des Einsatzes moderner und leiserer Flugzeuge insgesamt eine Lärmreduzierung ergeben würde.
„Das wäre schon eine deutliche Einschränkung der Entwicklungsfähigkeit des Flughafens“, gibt Kratzsch zu bedenken und verweist auch darauf, daß sich die Flughafen-GmbH strikt gegen die Festlegung einer „Fluglärmkontur“ ausgesprochen habe. Gegenüber der taz wollte sich die Flughafen-GmbH allerdings dazu nicht äußern. „Das ist ein schwebendes Verfahren“, begründete Sprecher Spörer.
Ziel der neuen Verhandlungen mit den Klägern gegen die Flughafenerweiterung sei erstmal eine „Verschiebung des Gerichtstermins“, sagt Senatsdirektor Kratzsch. Das liegt durchaus im beiderseitigen Interesse. Denn nachdem der Präsident des Oberverwaltungsgerichts, Pottschmidt, „Zweifel“ äußerte, ob die Grundbucheintragung auf das Grundstück des Bauern Wähmann überhaupt „rechtlichen Bestand“ hat, beeilten sich sowohl Kläger als auch Senat mit juristischen Einlassungen zu beweisen, daß es zumindest daran keinen Zweifel geben könne. Denn der Senat stünde sonst im Verdacht, entweder nicht in der Lage zu sein, einen rechtsgültigen Vertrag abzuschließen — oder aber heimtückisch einen Landwirt über den Tisch gezogen zu haben. Und Wähmanns Anwalt Adamietz hätte bei einer Gerichtsentscheidung, die die rechtliche Unwirksamkeit der Grunddienstbarkeit beinhaltet, seinen besten Trumpf im Poker um besseren Lärmschutz für die Flughafenanlieger verloren.
„Die Lage ist sehr schwierig“, faßt Kratzsch zusammen, „wenn wir jetzt einen Fehler machen, dann kann das rohe Ei auch wieder kaputtgehen.“ Sollte jedoch ein Kompromiß in der Lärmfrage gefunden werden, „dann gehe ich damit zuversichtlich in den Senat“. Dirk Asendorpf
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