: Zieht die Socken hoch!
■ Und lernt sitzen ohne Stuhl: Sommervarieté im Schlachthof, moderiert von „Get a Grip“
Ein Revival-Treffen der Kleinen Strolche — das war schon immer Tante Luises Traum gewesen. Neffe Timothy macht's möglich. Er hat mit diesen verlotterten Jungs, mit denen sich Tante Luise so köstlich amüsiert hat, im Sandkasten gesessen. Aus den Verrückten von damals sind Künstler geworden, Gaukler, Akrobaten, Clowns. Alle mal herschauen, Tante Luise feiert eine Party: Auf dem Spielplatz in der Kesselhalle des Schlachthofs, wo ab heute das Sommervarieté über die Bühne geht.
Mit dabei als Conferenciers sind Tante Luise und Timothy, in Bremen auch bekannt als Get a Grip, das deutsch-englische Artistik- und Comedy-Duo Roger Schmitz und Andy Wallace. Tante Luise wird das Spielplatz- Spiel der Strolche kommentieren und dabei sicher vor Freude so manches Mal mit ihren Plüschpuschen in die Luft gehen. Vor Freude über den Bauchredner Frank Rossi, den Jonglomiker Roddi Rodriguez oder die Musikclowns Balduin Blues und Fridolin Friedel.
Tante Luise und Neffe Timothy sind selbst professionelle Spieler, Artisten — und Zirkuskünstler, denn kennengelernt haben sich die beiden beim englischen Zirkustheater snapdragon circus, dem Löwenmaul. Der war Teil einer großen Zirkustheater-Bewegung gewesen, von deren zehn Companies es heute nur noch eine gibt. Tante Luise und Timothy gingen als Duo nach Australien, ehe sie vor gut einem Jahr nach Bremen kamen. Auf der Suche nach neuen Präsentationsformen von Zirkuskünsten.
Heute arbeiten die beiden ohne Technik, haben nur noch ihre Badezimmermatten und eine urkomische Verwandtschaftsbeziehung. „Timothy ist die Art von Mann, der eine Tante braucht“, meint Andy Wallace und könnte nicht ganz unrecht haben. Die Kapuze seiner olivgrünen Regenjacke tief in die Stirn gezogen, ist er ständig auf Platzregen eingestellt und hält für alles her. Vor allem für die Dauerprasselei von Tante Luise. Die kann gar nicht an sich halten, klettert und turnt auf ihrem Neffen, steht Kopf und zwitschert in einer Tour. Ihr schwarzes Handtäschchen immer abgespreizt.
Egal, ob sich das Duo gerade in der Horizontale oder Vertikale befindet. „Get a Grip, das heißt Halt dich fest oder Zieh' dir mal die Socken hoch, jetzt wird's ernst. Wir machen das Gegenteil“, so Roger Schmitz. „Obwohl wir beide ernste Menschen sind.“ Sind die leichter locker, skurril, und witzig? Die meisten Showteile kommen von der Akrobatik, meinen die beiden, der Rest ergebe sich aus der Situation. „Ich mag dieses Drunter und Drüber“, sagt Andy Wallace. „Das ist zweideutig und verdreht. Du mußt herausfinden, was eigentlich komisch an dem ist, was du machst. Und davon dir eine Art Regal anlegen, aus dem Du Dich bedienen kannst.“
Get a Grip tritt im Zirkus, im Kabarett, in Kneipen, bei Festivals, Parties oder auf der Straße auf. Am liebsten spielen und jonglieren die beiden mit ihrem Publikum, und da ist Spontaneität gefragt. Letztes Wochenende beim Internationalen Gaukler- Festival in Koblenz — das Get a Grip übrigens gewonnen hat! — standen die Leute so dicht, daß die hinteren nichts sehen konnten. Auf den Vorschlag, sich hinzusetzten, reagierte niemand, weil alle sonntäglich schick gekleidet waren. Tante Luise und Timothy zeigten deshalb, wie zwei ohne Stuhl bequem sitzen können. Wie das gehen soll? Unbeschreibbar. Selber ansehen. Silvia Plahl
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