Zerbricht Heeremans Bauernlobby?

Der Deutsche Bauernverband unterstützt Agrarfarmen im Osten — zum Ärger seiner Westmitglieder  ■ Von Hannes Koch

Die wohl effektivste Wirtschaftslobby in Bonn, der Deutsche Bauernverband (DBV) gerät zunehmend in Kritik aus den eigenen Reihen. Landwirte im Westen bemängeln, daß Bauernpräsident Constantin Freiherr Heereman von Zuydtwyck sich zu sehr für die Interessen der industriellen Agrarfarmen in den neuen Bundesländern einsetzt. Die kleinen und mittleren Bauern befürchten, in einigen Jahren gegenüber den östlichen Großbetrieben den kürzeren zu ziehen. Die Kritik ist nicht unberechtigt: Der Ostberliner DBV-Vertreter Jürgen Heym vertritt als Verbandsmeinung, daß großen Betrieben die Zukunft gehöre. Bis zu 2.000 Hektar sollten die Landwirtschafts-GmbHs im Osten schon haben, die Familienbetriebe bis zu 300 Hektar. Nach Ansicht des DBV sind in einigen Jahren nur noch diese Betriebe auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig. Zum Vergleich: Westdeutsche Bauernhöfe sind im Schnitt 18 Hektar groß.

„Der Konflikt zwischen Ost und West ist im Bauernverband nicht gelöst“, sagt ein Kreisvorsitzender aus dem Westfälischen, der seinen Namen aber nicht gedruckt sehen will. „Die Nachfolger der LPGs haben im Osten teilweise Milchquoten von mehreren Millionen Litern. Das sind Größenordnungen von denen westliche Bauern nur träumen können.“ Mancher Westlandwirt hegt inzwischen die Befürchtung, daß die riesigen Industriefarmen in den fünf neuen Ländern zukünftig der bäuerlichen Landwirtschaft allmählich die Luft abdrehen.

Doch auch in den westlichen Bundesländern betreibt der Bauernverband schon lange Politik zugunsten der Großagrarier — und damit gegen die Interessen einer Vielzahl seiner kleinbäuerlichen Mitglieder. Als Beispiel führen KritikerInnen die DBV-Forderung nach einem Flächenstillegungs-Programm an. Alle Bauern sollen verdonnert werden, einen Teil ihrer Flächen stillzulegen, um die Milch-, Getreide- und Fleischüberschüsse zu reduzieren. „Dabei sind die großen Bauern die Absahner. Nur die kassieren die Stillegungsprämie“, moniert Georg Janßen von der Bauernopposition Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (ABL). Kleine Bauern könnten gar keine Flächen stillegen, weil sie nicht genug davon hätten. Jeder Hektar wird laut Janßen gebraucht, um zum Beispiel die Gülle loszuwerden. Anstatt Flächen stillzulegen, fordert die ABL eine Extensivierung des Anbaus auf den vorhandenen Flächen. Damit könne das Ziel der Mengenreduzierung sozialverträglicher erreicht werden.

Allzu intensiv, so die Kritiker, kooperiere die Heeremansche Bauernlobby auch mit landwirtschaftlichen Monopolisten: zum Beispiel mit der Westfleisch-Genossenschaft in Münster. Westfälische Bauern kritisieren, daß die Genossenschaft gemäß eines vom DBV ausgearbeiteten Zentralisierungskonzeptes die Tendenz habe, kleineren Schlachthöfen den Garaus zu machen und die gesamte Schlachtung in der Umgebung an sich zu ziehen. Bauern berichten, daß sie von der Westfleisch unter Druck gesetzt würden, ihre Mastschweine nur dort abzuliefern. Der Haken: Der einflußreiche Betrieb zahle schlechtere Preise als andere Schlachthöfe.

In seinem heimischen Landesverband Westfalen-Lippe hat Bauernpräsident Heereman inzwischen Schwierigkeiten, sein Wahlvolk beisammen zu halten. Daß Heereman neben dem Vorsitz im Landesverband noch etwa 30 weitere Ämter innehat, wird moniert. Zuviel Arbeit würde liegenbleiben. Geschäftsführer Werner Gehring dementiert jedoch, daß der Chef zu wenig Zeit auf seinem Münsteraner Vorstandsstuhl sitze, und betont: „Am vergangenen Montag war er den ganzen Tag über hier.“ Auch Heeremans Stellvertreter habe jede Menge anderweitiger Verpflichtungen, bemängeln KritikerInnen. Früher soll es schon vorgekommen sein, daß der Geschäftsführer im Auto hinter seinem Präsidenten herfahren mußte, um eine Unterschrift zu ergattern. Mehrere Mitarbeiter, darunter auch der selbst von der ABL geschätzte Sozialreferent, haben die Landesgeschäftsstelle inzwischen verlassen.

„Nur ganz wenige Bauern verteidigen den Verband heute noch, abgesehen von den Funktionären“, sagt Ulrike Völker von der ABL in Rheda-Wiedenbrück. So ist es der Heereman-Kritikerin auch gelungen, selbst in den Bauernverband einzutreten. Anfängliche Gegenwehr der Bauernfunktionäre hat sie überwunden. Andere ABLer tun es ihr inzwischen gleich und nehmen mit der Zeit auch Funktionen wahr.

Noch organisiert der Deutsche Bauernverband nach eigenen Angaben 95 Prozent aller westdeutschen Landwirte. Angeblich unveränderte Mitgliederzahl: 650.000. „Vor allem wegen der Rechts- und Steuerberatung sind viele Mitglieder noch im Verband“, vermutet ABL-Frau Ulrike Völker. „Und wer will schon aus dem Sozialgefüge im Dorf herausfallen? Nicht im Bauernverband zu sein, ist wie nicht im Schützenverein zu sein.“