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Zerbrechliches Friedensabkommen in Südafrika

Mandela und Buthelezi fordern die Anhänger von ANC und Inkatha auf, die Auseinandersetzungen untereinander einzustellen/ Beide Organisationen bekräftigen ihr Existenzrecht gegenseitig/ Eine Zusammenarbeit in einzelnen Fragen sei vorstellbar  ■ Aus Durban Hans Brandt

Das erste Treffen zwischen Nelson Mandela, dem Vizepräsidenten des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), und Häuptling Mangosuthu Buthelezi, dem Präsidenten der Inkatha-Freiheitspartei hat am Dienstag zu einem umfassenden Friedensabkommen zwischen den seit Jahren zerstrittenen Organisationen geführt. „Wir rufen alle unsere Unterstützer, Mitglieder von ANC und Inkatha dazu auf, sofort alle Angriffe aufeinander aufzugeben und sich für Frieden in unseren Gemeinden einzusetzen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die nach neunstündigen Gesprächen in Durban verabschiedet wurde. Die beiden Organisationen bestätigen ihr gegenseitiges Existenzrecht. Sie erklären die Absicht, durch die Einrichtung gemeinsamer Strukturen die Einhaltung des Abkommens zu überwachen. Buthelezi und Mandela sollen außerdem eine gemeinsame Tour durch alle von den blutigen Kämpfen zwischen Anhängern der beiden Organisationen betroffenen Gebiete machen. Andauernde, hochrangige Kontakte zwischen Inkatha und ANC wurden in Aussicht gestellt. Beide wollen bei der Formulierung eines Verhaltenskodex für ihre Mitglieder, aber auch beim Wiederaufbau zerstörter Wohngebiete zusammenarbeiten. Ein gemeinsamer Fonds soll eingerichtet werden, um den Wiederaufbau zu finanzieren. „Wir haben einen Durchbruch erzielt“, sagte Mandela nach Ablauf der Gespräche vor der Presse. Auch Buthelezi war zufrieden. „Sie können an der Wärme zwischen uns, an unserer Körpersprache, an der Stimmung unserer Delegation sehen, daß dieses Treffen ein großer Erfolg war“, sagte der Inkatha-Chef. Beide Politiker betonten allerdings, daß politische Differenzen zwischen ihren beiden Organisationen nicht aus dem Weg geräumt wurden. „Man kann nicht erwarten, daß wir uns über jene Fragen einigen, die uns immer getrennt haben“, sagte Mandela. Dazu Buthelezi: „Unser gegenseitiges Existenzrecht wird respektiert. Aber das bedeutet keine Gleichschaltung.“ Eine Zusammenarbeit beider Organisationen in einzelnen Fragen sei jedoch vorstellbar. „Wir sind beide Teil der Anti-Apartheid- Kräfte in unserem Land“, erklärte Mandela. „Wir werden im Interesse des Kampfes der Schwarzen unsere Strategien synchronisieren, wann immer das möglich ist“, meinte Buthelezi. Mandela und Buthelezi schlossen die Möglichkeit nicht aus, daß Inkatha an einer vom ANC geplanten Allparteienkonferenz zur Vorbereitung von Verhandlungen über eine neue Verfassung teilnehmen würde. Das könnte den Verhandlungsprozeß beschleunigen. Allerdings machte Buthelezi deutlich, daß Inkatha auch in Zukunft einen vom ANC unabhängigen Kurs plant. Die Stimmung im Verhandlungsraum war nach den Gesprächen gehoben. Buthelezi und Mandela scherzten über das Alter des anderen, und ihre Delegationen lachten laut mit. Aber die Inkatha-Delegierten reagierten gereizt auf Journalisten, die nach möglichen Differenzen zwischen Inkatha und ANC fragten. Es war deutlich, daß die Erleichterung über das Friedensabkommen noch sehr zerbrechlich ist. Dieses war das erste Treffen zwischen Mandela und Buthelezi, die sich schon vor Mandelas Verhaftung in den fünfziger Jahren gut kannten, seit der Freilassung Mandelas im Februar letzten Jahres. Aber alles hängt nun von der konkreten Durchführung des Friedensabkommens ab. Vor allem an der Basis beider Organisationen wird es lange dauern, bis Mißtrauen und Haß überwunden sind.

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