: Zentrum/Peripherie
■ Erstes chinesisch-russisch-deutsches Konzeptionalistentreffen in der Kunsthochschule
Für ungewöhnliche Vernetzungsideen steht an der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) ein Künstler, der mit schöpferischen Menschen aus aller Welt kommuniziert: Mike Hentz. Ob „Minus Delta T“, „Van Gogh TV“ oder die „Odyssee“, immer stehen von ihm initiierte Kommunikations-Aktionen im Zentrum. Hentz ist dabei immer seiner eigenen, künstlerischen Grundidee (einer Vorgabe, einem Modul) verpflichtet. Er setzt dieses für die anderen voraus, um dann das spezielle „Wie“ ihrer handwerklichen, akademischen oder künstlerischen Fähigkeiten in einem Gesamtprozeß zum Ausdruck zu bringen.
In seinem Seminar- und Ak-tionsraum 240, der Garage, ist seit dem 25. November das Net- und Framework los: „Alphabet 25“ hieß die erste, der Befragung und Dekonstruktivierung von Normzeiten in Musik, Poesie und Bild gewidmete Performance von Harth 23 (Frankfurt), Tarassov aus Litauen am Schlagwerk und Prigow (Moskau) als schein-singende Poeten. Die drei von der Performance-Stelle hatte immer schon der Unterschied zwischen „intellektuellen Ambitionen und Hochkultur“ interessiert. Ob musizierte, geschriebene oder gemalte Zeichen, alle sind für sie „Zeichen von Sprachen“. Diese werden zur „Geschichte von konkreten Momenten des Aufeinandertreffens“, was nun zu dem weltweit ersten Treffen von russischen und chinesischen Konzeptionalisten in der Garage führte: Dimitrii Prigow, Sergei Anufriev (mit der Ausstellung „Medizinische Hermeneutik“ gerade im Kunstverein), Kirill Preowasinsky und Josef Bakstein (Kurator) aus Moskau, sowie Kong Chang Ain (Kritiker), Wang Iang Ping (Künstler), Fadei Awaye und Whu Shan Zhuan aus der Volksrepublik China diskutierten vom 9.-12.Dezember über die Visionen einer internationalen kosmopolitischen Kunst.
Im Mittelpunkt der Vorträge, Diavorführungen und Gespräche standen die Fragen nach der Definition der Konzept-Kunst in Ost und West, die Frage nach traditionellen Hintergründen und die Schwierigkeiten der Übersetzung und der Repräsentation im westlichen Kontext. Josef Bakstein: „Jedes Land hat seine sehr speziellen, internen Übersetzungsprobleme, weil jedes Land anders in die Ökonomie, Geschichte und Internationalität involviert ist. Das Problem dreht sich um die Kriterien der Vergleichbarkeit.“
Auffällig war die gemeinsame Verweigerung, Kriterien der Kunst sowohl intern künstlerisch als auch kunstkritisch formulieren zu wollen, weil dies für nicht okzidental geprägte Künstler und Kuratoren (Fadei Awaye) Risiken berge. Haupthema wurde dann die Diskussion um das Verhältnis von Zentrum und Peripherie in der internationalen Kunstentwicklung. Anufriev: „Natürlich haben wir neue Freiheiten, und es gibt weltweit viele neue, geistige Zentren, die die alten abzulösen beginnen - aber wir müssen eben auch alles mitkaufen: McDonalds, Porno-shops und Kapitalismus.“ Das erhellende und freundschaftlich geführte Symposion wird mulitlogisch fortgeführt und demnächst auch konkrete Ergebnisse zeitigen (Ausstellungen und Publikationen).
Gunnar F. Gerlach
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