Zentral- und Landesbibliothek: 600 Millionen für einen schönen Schlafplatz
Im Galeria-Kaufhaus am Alexanderplatz wird über die Zukunft der ZLB diskutiert. Ein Umzug dorthin würde rund 600 Millionen Euro kosten.

taz | Es ist eine interessante Mischung von Menschen, die sich am Dienstagabend im 5. Stock des Galeria-Kaufhauses am Alexanderplatz versammelt hat, wo bis vor ein paar Wochen noch ein Restaurant war. Mit dabei: Eine frühere Abgeordnete der Linkspartei und jetzige Bibliotheksverbandschefin, die Vermögensverwaltungsfirma der Commerzbank, eine Ex-Senatssprecherin von der SPD in deren Diensten, der regionale Chef des Einzelhandelsverbands, Architekten – und viele, viele Bibliotheksfreunde.
Was diese rund 70 Menschen eint und wofür sie dort aus ganz unterschiedlichen Gründen werben: die Zentral- und Landesbibliothek, die ZLB, soll nach ihrem Willen in einen Teil eben dieses Kaufhauses ziehen. Die Argumente: Das Gebäude hätte damit einen festen Mieter, Galeria könnte angeblich auch geschrumpft überleben, der Alex würde bereichert – und die seit langem diskutierte Zukunft der ZLB wäre endlich geklärt.
Deren bisherige zwei Standorte am Blücherplatz und in der Breite Straße gelten als marode und überlaufen. Seit über zehn Jahren gibt es öffentliche Diskussionen über Umzug, Neubau und eine Zusammenlegung, 2014 sollte sie vor einem Volksentscheid sogar als Teil einer Randbebauung aufs Tempelhofer Feld.
2023 war es für den damaligen Kultursenator Joe Chialo (CDU) der erste Schritt Richtung Rücktritt und Ablösung Anfang diesen Jahres, als er ohne echte Rücksprache mit seiner Partei für einen Umzug in die damals verfügbare Galeries Lafayette an der Friedrichstraße warb.
Hohe Kosten für einen Umzug ins Galeria-Gebäude
Was an diesem Abend zumindest längere Zeit keine Rolle spielt: Ein Umzug in das Galeria-Gebäude würde schätzungsweise 600 Millionen Euro kosten. Mehrere hundert Millionen sind dem Vernehmen nach zudem dafür nötig, die beiden jetzigen Standorte zu sanieren. Für sie ist noch keine Nachnutzung klar.
Stattdessen ist viel vom Nutzen eines Umzugs zu hören. Elf Gründe führt eingangs ein Vertreter des Bibliotheksverbands dbv an. Zum Ort sagt er, der Alexanderplatz könne eine Bibliothek „nun wirklich gut gebrauchen“, unter anderem, um „zu lernen, sich zu treffen, zu schlafen“.
Wären Senatsmitglieder auf dieser 5. Etage, von der durch bodentiefe Fenster der Blick auf Weltzeituhr und „Saturn“ gegenüber geht, könnten die nun vielleicht mit einem Hüsteln auf jene 600 und mehr Millionen Euro verweisen, die ein solcher öffentlicher Schlafplatz kosten würde. Und auch daran erinnern, welche Einsparungen der Kulturhaushalt des Landes schon jetzt hinnehmen muss, weil die Kassenlage so schlecht ist.
Das passiert aber nicht, weil zwar angeblich vier Senatsmitglieder geladen wurden, die aber alle abgesagt hätten. So bleibt man unter sich an diesem Abend. Fast jedenfalls, denn immerhin ein beteiligter Amtsträger ist da, Ephraim Gothe, SPD-Baustadtrat von Mitte. Der hält sich aber bedeckt und spricht bloß von „einer Vision, die sehr interessant erscheint.“
Das allerdings sagt er nicht in irgendeinen Notizblock, sondern in einer Live-Schaltung in einem 5-minütigen Beitrag für die <i>RBB</i>-Abendschau. Mehr Öffentlichkeit geht in Berlin kaum, der Aufwand hat sich medial schon gelohnt. Wer das im Fernsehen versäumt, aber gerade unten auf dem Alex unterwegs ist, kann auch von dort sehen, wie sich die Umzugsfreunde auf der 5. Etage die ZLB dort vorstellen. Starke Lichtstrahler werfen wie beim Festival of Lights ein Bild an die Galeria-Fassade, von einem großzügigen Bücherei-Innenraum in warmen Farben. Schlafliegen sind allerdings nicht zu erkennen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert