: Zensur gegen „Berlins Sumpf“
Berlin (taz) - Der Berliner Rotbuch–Verlag darf in zukünftigen Auflagen seines Buches „Geschichten aus dem Berliner Sumpf“ nicht mehr veröffentlichen, daß gegen drei Bauträger im Zusammenhang mit dem Antes–Skandal ein Ermittlungsverfahren wegen Bestechung eingeleitet und später wieder eingestellt worden ist - obwohl dies exakt den Tatsachen entspricht. Damit bestätigte gestern das Berliner Kammergericht ein erstinstanzliches Urteil des Landgerichts: Ermittlungsverfahren würden schließlich viele eingeleitet, das Persönlichkeitsrecht der Bauunternehmer würde jedoch verbieten, darüber zu schreiben. Ausnahmen bestünden, so belehrte das Gericht, wenn die Betroffenen Personen des öffentlichen Lebens wären, „wie etwa Kaiser Wilhelm, Hitler oder der Bundeskanzler“. Die Baulöwen hätten jedoch nur zum Zeitpunkt des Skandals eine Einschränkung ihres Persönlichkeitsrechts hinnehmen müssen, heute wäre ein Bericht über die eingestellten Ermittlungsverfahren nicht mehr von öffentlichem Interesse. Eine Ordnungsstrafe von 3.000 Mark, die die erste Instanz verhängt hatte, nachdem die beanstandeten Passagen drei Tage nach dem Urteil noch ungeschwärzt erhältlich waren, hob das Kammmergericht gestern auf. Inzwischen haben sich der Börsenverein des deutschen Buchhandels, der Verlegerverband, der Schriftstellerverband, die IG Druck und Papier und die Deutsche Journalistenunion mit dem Rotbuchverlag solidarisiert. In einer Stellungnahme bezeichnete Rechtsanwalt Ströbele das Urteil als „eindeutige Zensurmaßnahme“. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung erwäge er, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Martin Wollenberg
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