Zeitschrift Mabuse: Eine Kritik der Praxis
Die unabhängige Gesundheitszeitschrift "Dr. med. Mabuse" wird 30. Was heute fehlt, ist der Lesernachwuchs.
Wie das so ist bei runden Geburtstagen: Man hätte sich nie träumen lassen, dass es mal so weit kommt. Zumal wenn die Mediziner die Lebenserwartung bei der Geburt auf maximal zwei Jahre geschätzt hatten. Das hatten sie getan, bei der Gründung der medizinischen Fachzeitschrift Dr. med. Mabuse. Doch sie hatten sich verschätzt: In diesen Tagen, ein paar Monate verspätet, feierten die Gründer, Mitarbeiter und Leser in Frankfurt am Main die dreißigjährige Existenz der Zeitschrift.
Mabuse ist ein Exot im Markt der medizinischen Zeitschriften, den vor allem die Lobbyorganisationen von Ärzten, Pharmaindustrie, Apothekern und Kassen beschicken. Gestartet als basisdemokratisches Projekt und ausgestattet mit dem Überlebenswillen karg entlohnter, aber motivierter Mitarbeiter, ist sie bis heute unabhängig. Statt der Vergütungsordnung für Ärzte thematisiert Mabuse Zweiklassenmedizin, Frauenbewegung oder die Tricks der Pharmaindustrie.
Die Idee zu Dr. med. Mabuse entstand in der nächtlichen Fachschaftsratssitzung einer Gruppe linksliberaler Medizinstudenten (ja, die gabs tatsächlich) der Universität Frankfurt am Main. "Wir wollten eigentlich nur eine linke Fachschaftszeitung machen, aber anders links: Die DDR fanden wir doof und China ziemlich grausam", erzählt Gründungsmitglied Hermann Löffler. Löffler ist heute Geschäftsführer des auf drei Zweige und zwölf bezahlte Mitarbeiter angewachsenen Mabuse-Projekts. Neben der Zeitschrift gibt es noch einen Verlag und einen Buchversand.
Mehr als ein Studentenblatt wollte Mabuse schon damals sein: "Die Zeitung sollte möglichst keine liebe 'Hauspostille für studentische Angelegenheiten' sein", hieß es im Editorial der ersten Ausgabe, auf der schon der Name des Oberbösewichts prangte, zum Zeichen, dass man es ernst meinte. Die Gründer wandten sich nicht nur an Studierende, sondern an alle Berufe im Gesundheitswesen. Sie hatten sich vorgenommen, die Kommunikation in dem von starren Hierarchien geprägten Gesundheitssektor zu fördern.
Weitere Anliegen waren der Kampf für ein gerechtes Gesundheitswesen in Deutschland und weltweit. "Diese Ansprüche haben wir natürlich immer noch, aber davon sind wir ziemlich weit entfernt", sagt Löffler lakonisch. Auch heute gehen Mediziner wieder auf die Straße, doch nicht für den Weltfrieden, sondern für höhere Gehälter.
Der Ärztestreik im letzten Jahr war auch in der Mabuse-Redaktion ein Thema. "Aber dazu gibt es keine einheitliche Haltung, man weiß nicht mehr eindeutig, was richtig und was falsch ist", sagt Löffler, der seine Zulassung als Arzt selbst 1981 erhielt. Ein reiner Privilegienstreik sei es jedenfalls nicht gewesen, die Bedingungen im Gesundheitswesen seien auch für Ärzte härter geworden, sagt er.
Ob es an der Arbeitsbelastung liegt oder an mangelnder politischer Motivation - Fakt ist, dass dem Mabuse-Team in den 90er-Jahren der Lesernachwuchs ausging. "Wir sind heute weit weg von den Fakultäten, es gelingt uns nicht, mit unseren Themen Interesse zu wecken", konstatiert Löffler. Themen wie der Pflegenotstand oder Ärzte im Nationalsozialismus seien bei den Studierenden gerade nicht en vogue.
Dabei gelang es Mabuse oftmals, gesellschaftlichen Debatten vorzugreifen. Schon 1987 gründete man eine "Autonome Pflegeredaktion" und machte, lange bevor andere Zeitungen Schlagzeilen damit produzierten, auf die Situation in Heimen und die Arbeitsbedingungen der PflegerInnen aufmerksam.
Die Hälfte der 25.000 Leser ist im Pflegebereich tätig, vor allem in leitenden Positionen. Vor 18 Jahren war der typische Leser noch Arzt, heute stellen die Mediziner nur noch ein Drittel der Leser. Das spiegelt die Beschäftigtenzahlen im Gesundheitswesen wider. Den interdisziplinären Anspruch hat Mabuse damit immerhin schon verwirklicht.
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