: Zeitlos museal
■ Kraan, Donnerstag, Modernes, halbvoll
„Kraan“ - Jahrelang stand dieses Wort für um den knatternden Bass von Bandgründer Helmut Hattler garnierte, recht flippige Experimentchen von Keyboard und Gitarre, jazzverrockt und angemessen Zappa-hörig. Ihre Arrangements waren originell und immer irgendwie geschmackvoll, neben „Can“ aus Kölle gehörten die Ulmer zu den wenigen „Kraut -rockern“, die auch international Renomme besaßen: Eine hörenswerte, eine wichtige Band - vor 13 oder 14 Jahren.
Uralte Knaller
Allein, was wollen uns ihre Töne heute sagen? 1987 gehörten sie zu den ersten, die begannen, ihr kaltgewordenes Süppchen auf nostalgischem Feuer aufzuwärmen, und seit dem haben sie, glaub‘ ich, sogar zwei neue Platten bespielt. „Zeitlose“ Musik wollen
sie machen, sagt Helmut Hattler über sein renommiertes Projekt, und nach dem Konzert war ich sicher, daß er gar nicht weiß, was für ein Anspruch das ist. Denn das Programm von Kraan ist heuer eine einzige Rückschau auf vergangenen Zeiten, die alten bis uralten Knaller, gespickt mit Stücken der neuen LP „Dancing In The Shade“ nach dem gleichen Muster.
Reminiszenz auch das Drumherum: Ein Publikum, dessen weitaus größter Teil sich Mode und Ästhetik der 70er Jahre sichtbar bis in die Gegenwart gerettet hat. Groß deshalb die Begeisterung bei „Jerk Of Life“, „Marterhorn“ oder gar „Kraan Arabic“, erklärtermaßen das Paradestück der Band, denn in Erinnerung daran, so Hattler, habe man vor zweieinhalb Jahren den Plan gefaßt, sich neu zu formieren.
Nervöse Trompete
Eine Bereicherung ist sicher der junge Ko Kraus, der einerseits an
den Keyboards und einer soundtypischen elektronischen Alto -Tute möglichst bruchlos das Frühmitglied Ingo Bischof ersetzen soll, andererseits mit nervös gespielter Jazztrompete die spannenden Akzente des Abends setzte. Helmut Hattlers Bass-Groove ist immer noch ständig eine Spur zu hektisch und auf manchmal unangenehm erscheinende Weise hart und eckig. Sein wohl gut 10-minütiges Solo - er spielt den Bass mit dem Plektron und darf sich somit sicher zu den schnellsten im Lande zählen - wurde im halbvollen Modernes natürlich stürmisch abgefeiert.
Am interessantesten erschien mir neben Kraus‘ Trompete das Gitarrespiel von Peter Wolbrandt, das zwar auch im klassischen Jazzrock gefangen, aber rhythmisch wie solistisch sehr abwechslungsreich war. Dennoch: Kraan sitzen mit einer Schaar Hinterbliebener längst im Museum. Sie haben's nur noch nicht gemerkt. Rainer Köste
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