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■ SPD-WahlkampfstrategieZeit für (Kurs-)Wechsel

Wer von der SPD nach fünf Jahren lähmender Großer Koalition einen Wahlkampf erwartet hat, der auf Veränderung setzt, wird enttäuscht. Die SPD-Strategie scheint vom Berufsverband der Anästhesisten zu stammen. Es ist hohles Parteigeschwätz, mit dem „frischen Gesicht“ der Sozialsenatorin Ingrid Stahmer auf den Plakaten in den Wochen vor dem Urnengang Boden gegenüber Amtsinhaber Diepgen gutmachen zu können. Tatsache ist: Den Willen zum Wechsel hat nur eine Minderheit. Fast scheint es, als hätten viele Genossen den Wahlkampf bereits aufgegeben. Immer mehr Funktionäre richten sich auf eine Fortführung der Großen Koalition ein – möglichst als stärkste Partei mit einer Regierenden Bürgermeisterin Stahmer: Warum die Ehe mit den nervigen Grünen suchen, wenn die Zweierkiste mit der CDU so gut eingespielt ist?

Veränderung setzt den Mut voraus, neue Themen zu setzen. Nichts davon ist bei der SPD zu spüren. Die selbst(mit)erzeugte politische Langeweile wird als Wunsch der Berliner mißdeutet, nach den vielfältigen Umbrüchen der letzten Jahre nicht mehr mit Unruhe konfrontiert zu werden. „Die Menschen bloß nicht aufregen“ ist die Devise in einer Wahlstrategie, die ein Bild von Berlin als behüteter Familie zeichnen möchte. Das ist verlogen, und es arbeitet auch einem Amtsinhaber Diepgen zu, der populärer geworden ist – auch mit sozialdemokratischen Themen, wie Genossen manchmal beleidigt klagen. Jetzt allein dem Kreis um Momper zu überlassen, rot-grünen Charme zu verbreiten, ist zuwenig und wird deshalb scheitern. Wenn selbst junge Menschen den „blassen Eberhard“ inzwischen attraktiver finden als Stahmer, müssen SPD-Manager alarmiert sein. Mit dieser Strategie wird die SPD nicht einmal stärkste Partei, sondern bleibt Juniorpartner der CDU. Noch ist Zeit für einen Kurswechsel. Man muß nur wollen. Gerd Nowakowski

Siehe Bericht Seite 22

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