: Zeig deine Gefühle
Bis die Zähne knirschen: Charles Darwins „Ausdruck der Gemütsbewegungen“ in neuer, kritischer Edition
Die erste Ausgabe von Charles Darwins „Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei den Menschen und den Tieren“ kam 1872 heraus. Nun liegt eine kritische Edition von Paul Ekman, Psychologieprofessor in San Francisco, vor, der in den Text zahlreiche Kommentare eingeschaltet hat, die Darwins Theorien stützen, ergänzen oder auch kritisieren. Darwin selbst suchte nach „Allgemeinen Prinzipien des Ausdrucks“ und wandte sich „Hass und Zorn“, „Entsetzen“, „Freude“, „Liebe“ und noch mancher Gemütsbewegung mehr zu. Dabei war er ein unermüdlicher Beobachter, von dem weder sein Pferd mit vor Furcht klopfendem Herz noch sein glücklicher Hund, noch seine schreienden Kinder verschont blieben.
Darwin wollte den Ausdruck einer Gemütsbewegung so umfassend wie möglich beschreiben. Zum Beispiel die Wut: „Die Stimme ist affiziert; die Zähne sind fest zusammengeklemmt oder knirschen, und das Muskelsystem ist gewöhnlich zu heftiger, beinahe tobsüchtiger Tätigkeit angeregt.“ Über solche Schilderungen hinaus untersucht Darwin (1809–1882) eine sich abzeichnende Emotion in mehreren Schichten. Welche Muskelgruppen im Gesicht treten in Aktion, warum zeigt sich bei einer Gefühlsregung gerade dieser und nicht ein anderer Ausdruck, welche Rolle spielen Nervensystem und Gebärde, was ist erlernt oder angeboren? Außerdem wollte er herausfinden, ob die Ausdrucksformen bestimmter Gefühlsregungen als „universal“ zu bezeichnen sind, also allen Menschen gemein. Ekman bejaht das für sechs bis acht Gefühle.
Immer wieder von Bedeutung ist in der Abhandlung, ob oder wann ein Ausdruck willkürlich oder unwillkürlich ist. Nach Paul Ekman „treten die Formen des Gefühlsausdrucks ohne unser bewusstes Zutun auf“. Das heißt, „dass sie unwillkürlich, nicht absichtlich sind. [...] Wir zeigen keinen Gefühlsausdruck, um etwas mitzuteilen, auch wenn eine Mitteilung empfangen wird.“
Über seinen eigentlichen Gegenstand hinaus bietet das Buch Einblicke in den Wandel von Wissenschaft und Sprache.
KRISCHAN SCHROTH
Charles Darwin: „Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei den Menschen und den Tieren“. Kritische Edition. Aus dem Englischen von Julius Victor Carus und Ulrich Enderwitz. Die Andere Bibliothek, Eichborn Verlag, Frankfurt/M. 2000, 504 Seiten, 58 DM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen