Zehnkämpfer in der Olympia-Vorbereitung: Ein Mann, viele Schuhe
Für den Berliner Zehnkämpfer André Niklaus ist der olympische Wettbewerb einer wie jeder andere. Die Anforderungen seiner Sportart sind schon speziell genug
BERLIN taz André Niklaus wirkt nicht wie jemand, den vieles ernsthaft belasten kann. Routiniert absolviert der 26-jährige Berliner sein Trainingspensum im Sportforum Hohenschönhausen. Am Vormittag Sprint, am Nachmittag Stabhochsprung, danach Krafttraining. Doch nun spürt er das Training. Erst wird ihm unter der Last der aufgelegten Gewichte kurz schwarz vor Augen. Etwas später ächzt er, als er den Trainingsplan für den Folgetag erfährt: drei Vollbelastungssprints über 400 Meter. Niklaus befindet sich in der letzten Phase der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Peking. Und der Trainingsplan eines Zehnkämpfers hat es in sich.
Zehn Disziplinen müssen regelmäßig trainiert werden. "Dabei ist jedes Training kontraproduktiv für einzelne Disziplinen", erzählt Trainer Rainer Pottel während des Stabhochsprungtrainings. Niklaus musste seine Paradedisziplin zuletzt etwas vernachlässigen. Nun tastet er sich wieder an den optimalen Anlauf und das Timing beim Absprung heran. Gegenwind macht ihm dabei zu schaffen: "Im Wettkampf gehe ich dann einfach einen halben Schritt nach hinten oder vorn." Niklaus ist halt niemand, den vieles belastet. Seine Sportart hat ihn dazu erzogen.
Niklaus ist in Deutschland seit fünf Jahren die Nummer eins, bei internationalen Wettkämpfen kommt er zuverlässig unter die Top Ten. Größte Erfolge: Junioren-Europameister und Hallen-Weltmeister. Um sein Peking-Ticket musste er dennoch ein wenig bangen. Seit ein, zwei Jahren ist er anfällig für Verletzungen. Nicht immer konnte er voll trainieren und stagnierte deshalb in seinen Leistungen. Ein Grund dafür ist aber auch die "langfristige Zielstellung, bei Olympia eine persönliche Bestleistung mit mehr als 8.400 Punkte zu erzielen"
Allerdings: Der Kampf gegen sich selbst interessiert ihn fast mehr als das Erlebnis Olympia. Besondere Vorfreude auf Peking lässt er sich nicht anmerken. Niklaus wird auch nur sechs Tage wirklich Teil der Olympischen Spiele sein. Bis zwei Tage vor ihrem Einsatz trainieren die Mehrkämpfer noch auf Hokkaido in Japan, "um sich an die Zeitverschiebung zu gewöhnen", wie Niklaus erklärt, aber auch um Stress und Smog in Peking zu umgehen. Die klimatischen Verhältnisse dort sieht er trotzdem locker: "Schlimmer als bei der Weltmeisterschaft in Osaka im letzten Jahr kann es doch gar nicht sein." Damals herrschten bis zu 40 Grad Celsius.
Gerne werden die Zehnkämpfer als große Gemeinschaft bezeichnet, und auch Niklaus findet, dass da was dran ist: "Bei den wenigen Wettkämpfen im Jahr kommen meist alle Topleute zusammen. Und wir stehen diese zwei Tage dann ja auch irgendwie gemeinsam durch." Von anderer Seite heißt es zwar mitunter abschätzig: "Die können alles, aber nichts richtig", wie Niklaus erzählt, doch schnell schiebt er Beispiele nach, von Zehnkampfleistungen, die mit denen von Spezialisten vergleichbar sind.
Niklaus selbst versucht sich auch als Zeichner, studiert im Fernstudium Medieninformatik. Seine neue Webpräsenz hat er ebenso selbst designt wie ein eigenes Logo: "Das ist auch die Richtung, die ich mir später mal vorstellen könnte." Im Moment zählt aber allein die sportliche Karriere. Auch in Hinblick auf die Leichtathletik-Weltmeisterschaft im nächsten Jahr in seiner Heimatstadt Berlin. Andere Aktivitäten müssen da vorerst ruhen.
Am Ende des Trainings, im Kraftraum, merkt man dann auch bei André Niklaus, dass etwas Besonderes ansteht. Stolz präsentiert er einen neuen Trainingsschuh seines Sponsors, extra für ihn und speziell für Kraftübungen. Niklaus erzählt von dem finanziellen und materiellen Aufwand, den zehn Disziplinen mit sich bringen. Als er das Training zufrieden mit sich und dem neuen Schuh beendet, verrät er, dass er nach Peking wohl mindestens zwölf Paar Schuhe mitnehmen wird, allein für den Wettkampf. Die Anforderungen an einen Zehnkämpfer sind selbst beim Packen besondere.
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