Flugzeugsuche: Zehn Zentimeter Sicht
■ Bremerhaven: Zehn Tage nach dem Unglück ist endlich das gesamte Wrack des Fliegers geborgen worden
Das Heck der am zweiten Weihnachtsfeiertag vor Bremerhaven in die Weser gestürzten Propellermaschine ist geborgen worden. Damit ist das Wrack der Unglücksmaschine zehn Tage nach dem Unfall endlich komplett, von den vermissten fünf Insassen fehlt weiterhin jede Spur.
Jetzt werden die aus dem Fluss gezogenen Teile der Maschine zum Flugplatz Bremerhaven-Luneort gebracht. Dort will die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen die Absturzursache klären. Mit vorläufigen Ergebnissen ist nicht vor Feburar zu rechnen. Mehrfach war über einen Motorschaden der kleinen Maschine vom Typ Britten Norman Islander spekuliert worden.
Erst am Silvestertag war die zweimotorige Maschine mit einem Schwimmkran bis an die Wasseroberfläche gehoben worden. Bei dem Versuch, sie aus dem Wasser herauszuheben, war das Heck abgebrochen und wieder versunken. Seither hatten Taucher nach den Resten gesucht.
Erst das zweite vor Ort geholte Bergungsschiff hatte das Flugzeugwrack entdeckt. „Die Dauer der Bergungsarbeiten verwundert mich schon“, sagte Andreas Wulf von der Cuxhavener Tauchfirma Otto Wulf, die seit 1921 Bergungsarbeiten durchführt. Andererseits seien die Bedingungen in der Wesermündung derzeit aber auch sehr kompliziert.
„Das Abscannen des Grundes mit Ultraschall ist nicht einfach“, meint Wulf. Der Wesergrund erzeuge auf den Bildschirmen der Wrackbergungsschiffe nämlich nur schwarze Schattierungen – genau wie das Unglücksflugzeug. Wulf: „Man muss sich das vorstellen wie der Ultraschall beim Frauenarzt – als Laie erkennst du gar nichts, selbst für Profis ist das nicht einfach.“
Außerdem sei das Flugzeug wegen der Strömung der Weser wahrscheinlich stark vom Unfallort im so genannten Blexer Bogen abgetrieben. „Bei einer Strömungsgeschwindigkeit von umgerechnet etwa 6,5 Stundenkilometern dürfte es mindestens zwölf Minuten getrieben sein“, erklärt Bergungstaucher Wulf. „Wenn Restluft im Wrack war, hat der Schwebezustand länger gedauert.“
Auch die Bergung der Maschine sei kein Kinderspiel. Wegen Strömung während Ebbe und Flut hätten die Taucher in Bremerhaven nur ein Zeitfenster von rund einer Stunde pro Tide zur Verfügung – das sogenannte „Stauwasser“. Unten könnten sie selbst mit starken Lampen nur zehn Zentimeter weit sehen
Die Weser sei an ihrer Mündung voller Schwebstoffe. „Da ist auch tags praktisch Null Sicht“, erklärt Wulf. „Gehen Sie mal mit verbundenen Augen ins Weserstadion und suchen ein Auto – das kann ewig dauern.“
Das kleine Verkehrsflugzeug war am zweiten Weihnachtstag mit neun Menschen an Bord kurz nach dem Start vom Bremerhavener Flughafen zur Nordseeinsel Wangerooge abgestürzt. Den Absturz ins Wasser überlebte offenbar nur eine 43-jährige Frau. Zwei lebend geborgene Männer starben im Krankenhaus beziehungsweise auf dem Weg dorthin. In dem gehobenen Teil des Flugzeugs selbst wurde dann nur noch die Leiche einer 34-jährigen Frau gefunden. Unter den noch Vermissten sind ihr Ehemann und der sechs Monate alte Sohn sowie die 15-jährige Tochter der Geretteten.
Kai Schöneberg / dpa
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