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Zehn Millimeter am Glück vorbei

■ Der allerletzte Putt von Bernhard Langer entschied den Golfkrieg um den Ryder Cup — für die USA

Kiawah Island (dpa/taz) — Nur einen Zentimeter lang ist der Unterschied zwischen Triumph und Tragik. Doch niemand wollte Bernhard Langer nach dem Verlust des Ryder Cups an die USA einen Vorwurf machen — nicht einmal er selbst. Der Anhausener hatte es am Sonntag nach einer sehr guten Leistung im letzten der zwölf Mann-gegen- Mann-Duelle in der Hand, mit dem letzten Schlag des erschöpfenden, nervenaufreibenden Kampfes der Kontinente auf Kiawah Island die europäische Dominanz der vergangenen acht Jahre fortzuführen, aber verantwortlich oder gar schuldig für die 13,5:14,5-Niederlage der europäischen Titelverteidiger war Langer trotzdem nicht.

Entscheidend war das Versagen der beiden vermeintlich besten Golfer der Welt: Masters-Sieger Ian Woosnam (Wales) und Nick Faldo (England) kassierten gleich am Freitag zwei unerwartete Niederlagen. „Wir hätten als Team gewonnen und haben als Team verloren. Das Leben wird weitergehen“, sagte Langer, „es war unglaublich schwer heute, zu spielen. Gratulation an die Amerikaner.“

Die Angesprochenen hörten es nicht. Sie weinten, küßten und sangen „We are the champions“. Großkotzige Worte nach einem großartigen Wettkampf fand Paul Azinger, zusammen mit Fred Couples bester US-Spieler: „Amerikas Stolz ist wieder zurückgekehrt. Erst haben wir die Irakis besiegt und jetzt Europa geschlagen.“

Aber auch der unglückliche Langer war nicht allein. Selbst sein Kontrahent sprach ihm Trost zu: „Ich wünsche niemandem, daß ihm so etwas passiert, was Bernhard am 18. Loch erlebt hat.“ Langer war von Gallacher für die zwölfte und letzte Position nominiert worden. „Ich weiß von ihm genau, daß er dem Druck standhalten kann, und genau das hat er auch getan. Er hat toll gespielt“, meinte Gallacher hinterher. Faldo und Woosnam taten es nicht. Auch wenn Faldo am Sonntag in einer Neuauflage der Masters-Entscheidung von vor zwei Jahren zumindest das Eröffnungsduell gegen den 49 Jahre alten Publikumsliebling Raymond Floyd gewann. Woosnam, Nummer eins der Weltrangliste, verlor dagegen gegen Chip Beck.

Die Amerikaner führten 14:13, als Langer am Abschlag des 17. Loches stand. Der Wind fegte über den ohnehin schwierigen Par-72-Kurs und machte das Bermuda-Gras noch unberechenbarer. Langer mußte die letzten beiden Löcher gewinnen. Sein Gesicht war wie versteinert. Caddie Pete Coleman kreuzte vor Aufregung die Beine. Irwin spielte an dem extrem schweren Par-3-Loch Bogey, und Langers Ball war eineinhalb Meter von der Fahne. Der Putt gelang, das Duell der beiden war unentschieden — zu wenig.

Titelverteidiger Europa brauchte den Siegespunkt zum 14:14-Unentschieden. Faldo saß seelenruhig im Gras, Mark Calcavecchia heulte immer noch. Er hatte gegen den Schotten Colin Montgomery eine todsichere Führung verschenkt. Langers Annäherung lag am Rande des 18. Grüns, Irwin hatte seinen Chip versaut, war auch nach seinem dritten Schlag noch weit vom Loch und damit vom Par entfernt. Vorteil Langer. Ein Putt kurz vors Loch und den zweiten ins Loch.

Langers erster Putt war zu lang, zwei Meter zu lang, aber dafür war Irwins Par-Putt zu kurz. Ballesteros grinste vergnügt, US-Teamchef Dave Stockton biß ins Handtuch. Drei Tage lang hatten sich die besten Golfer Europas und der USA einen unvergeßlichen Kampf geliefert. Fast 30 Stunden lang mit dem dramatischen Finale am letzten Tag und am letzten Loch mit dem letzten Schlag. Langers Par-Putt zum Gesamtsieg war zwei Meter lang, aber in Wirklichkeit schien er 20 Meter lang zu sein.

Er studierte das Grün so sorgfältig, wie Menschen mit Haarausfall ihre übriggebliebene Pracht jeden Morgen studieren. Er schien ruhig zu sein. Der Ball rollte gleichmäßig auf das Loch zu, brach eine Winzigkeit nach rechts und blieb einen Zentimeter rechts vom Ziel liegen. Zehn Milimeter zuviel: Haarausfall an Loch 18. Sven Busch

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