Zehn Euro pro Quartal legitim: Gericht bestätigt Praxisgebühr

Die Praxisgebühr verstößt laut Bundessozialgericht nicht gegen das Grundgesetz. Ein Kläger sah darin eine Benachteiligung von Arbeitnehmern, Kranken und gesetzlich Versicherten.

Eine Benachteiligung von Arbeitnehmern, Kranken und gesetzlich Versicherten seien "nicht von der Hand zu weisen", aber nicht verfassungswidrig, so das Sozialgericht. Bild: dpa

Keine Entlastung für Patienten: Das Bundessozialgericht hat am Donnerstag entschieden, dass die Praxisgebühr nicht gegen das Grundgesetz verstößt. 2004 hat die rot-grüne Regierung die Gebühr eingeführt. Gehen gesetzlich Versicherte seitdem in einem Quartal zum Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten, müssen sie jeweils beim ersten Arztbesuch 10 Euro Praxisgebühr bezahlen.

Der Gesetzgeber habe seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten, begründete das Gericht seine Entscheidung. Millionen gesetzlich Versicherte müssen also auch weiterhin die Praxisgebühr bezahlen. Geklagt hatte Erwin Fink, ein 64-jähriger Bayer.

Er vertrat die Meinung, die Praxisgebühr verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz und sei daher verfassungswidrig. Denn sie treffe nur die gesetzlich versicherten Arbeitnehmer, ohne auch die Arbeitgeber hälftig zu belasten. Außerdem würden Privatversicherte bevorzugt, da sie die Gebühr nicht aufbringen müssten.

Davon ist der Kläger auch nach dem Urteil noch überzeugt: "Ich habe mich dermaßen über die Gebühr geärgert, dass ich das bis zum Ende durchfechten will", sagte Fink. Es sehe sehr danach aus, dass er eine Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Bundessozialgerichts einlegen werde.

Die Ansicht des Klägers teilt auch der Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) - ebenso wie manche Experten. Der Arzt Jens Holst forscht frei für das Wissenschaftszentrum Berlin und hat an einer Studie zu "Zuzahlungen im Gesundheitswesen" mitgearbeitet. "Die Klage ist inhaltlich völlig berechtigt, auch wenn das Gericht das anders sieht." Kranke würden nicht nur durch die Praxisgebühr mehr zahlen, sondern zum Beispiel auch durch die Zuzahlungen bei Medikamenten, sagte Holst. Das widerspreche dem eigentlich solidarisch angelegten Gesundheitssystem.

Es gebe zwar mit der Praxisgebühr eine Ungleichbehandlung, räumte der Vorsitzende Richter des Dritten Senats, Ulrich Hambüchen, bei der Urteilsverkündung ein. Diese sei aber gerechtfertigt. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits in einem Beschluss aus dem Jahr 2005 entschieden, dass finanzrechtliche Erwägungen bei der Sozialversicherung berücksichtigt werden könnten, auch wenn dies zu Ungleichbehandlungen führe.

Es sei nachvollziehbar, sagte der Richter, dass die Praxisgebühr die gesetzlichen Krankenkassen entlasten solle. Schließlich habe sie den Kassen von 2004 bis 2008 jährlich zwischen 1,5 bis 1,8 Milliarden Euro eingebracht. Ursprünglich hoffte das Bundesgesundheitsministerium auf jährliche Zusatzeinnahmen von 2,6 Milliarden Euro. Die Einkünfte der Krankenkassen gingen seit 2005 kontinuierlich zurück und betrugen im vergangenen Jahr nur noch 1,52 Milliarden Euro.

Dass Arbeitgeber sich nicht zur Hälfte an der Praxisgebühr beteiligen, sei ebenfalls nicht zu beanstanden, sagte Richter Hambüchen. Auch wenn damit das Solidaritätsprinzip "leicht aus den Angeln gehoben wird".

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