Zappel-Phillip macht Löwen wild

■ Große Euphorie herrscht in Luxemburg nach dem 1:0-Erfolg in Malta, dem ersten fußballerischen Sieg seit 22 Jahren

Luxemburg (taz) – Einen absolut risikofreien Scherz erlaubte sich die luxemburgische Illustrierte Revue in ihrer letzten Ausgabe: Dem schon zu Lebzeiten legendären Sportreporter Pilo Fonck schob sie in einer Karikatur die Frage in den Mund, „warum Luxemburg vier Testspiele braucht, um sich auf die Niederlage gegen Malta vorzubereiten“. Mit Begegnungen gegen den 1. FC Saarbrücken, den FC Basel, Fortuna Düsseldorf (jeweils 1:1) und die israelische Nationalelf (2:4) war das Programm der wackeren Kicker aus dem kleinen Großherzogtum vor dem Malta-Ausflug in der Tat praller gefüllt als sonst.

Daß der Revue-Scherz dennoch danebengehen könnte, war äußerst unwahrscheinlich. Doch er ging daneben. Das Auswahlteam vollbrachte nämlich das Unfaßbare: Ihm gelang tatsächlich ein Sieg in einem offiziellen Länderspiel. Luxemburg schlug Malta im EM-Qualifikationsspiel der Gruppe 5 mit 1:0. Zum Helden des Abends avancierte (neben dem Torschützen Cardoni) Torwart Paul Koch, der in der 89. Minute einen zweifelhaften Handelfmeter der Malteser parierte.

22 Jahre und vier Monate hatte die überschaubare Fangemeinde des Fußballzwerges sich gedulden müssen: Am 22. Oktober 1972 war ihrer Auswahl letztmals ein Sieg (damals 2:0 gegen die Türkei) geglückt. Seither stellt sich vor den Auftritten der „Roten Löwen“ meist nur die Frage, wie hoch die Niederlage denn wohl diesmal ausfallen wird.

Diese Frage hat mit der Zeit jedoch mächtig an Spannung eingebüßt: Weniger weil sie sich ständig wiederholt, als vielmehr weil Kantersiege gegen Luxemburg rar geworden sind. Der Dank hierfür gebührt zu einem nicht unwesentlichen Teil dem Trainer: Seit nunmehr zehn Jahren obliegt Paul Philipp die Betreuung der Nationalmannschaft. Daß er das Jahrzehnt der Erfolglosigkeit schadlos überstanden hat, ist nicht sein größtes Verdienst. Vor allem hat das Energiebündel („Zappel-Philipp“) in der beschaulichen Fußballwelt seines Landes manches in Bewegung gebracht.

Als Luxemburg am 31. Oktober 1990 gegen den frisch gekürten Weltmeister Deutschland zur allgemeinen Überraschung (und Begeisterung) nur 2:3 verlor, nutzte Philipp die Gunst der Stunde. Mit der finanziellen Unterstützung des Sportministeriums und einiger Sponsoren schuf er das sogenannte „Modell Luxemburg“ – seither schart er die Auswahlspieler zweimal wöchentlich (jeweils dienstags und mittwochs) ganztägig um sich – zum gemeinsamen Training.

Das Modell trägt Früchte, auch wenn sie sich fast nie in WM- oder EM-Punkten ausdrücken. Doch die professionelle Vorbereitung brachte die Amateure einen gewaltigen Schritt nach vorn. Im Kader stehen nämlich nur vier Profis, von denen wiederum nur einer regelmäßig auf höchstem Niveau gefordert wird: Guy Hellers, Mittelfeldstratege beim belgischen Spitzenklub Standard Lüttich.

Selbstverständlich steigerte das Modell Luxemburg auch die Erwartungen der Fans. Schon nach der Auslosung der EM-Qualifikationsgruppen stand fest: Gegen Malta müssen Punkte her. Paul Philipp verwendete die letzten Wochen fast ausschließlich darauf, die Hoffnungen zu dämpfen: Immerhin seien die Malteser Vollprofis, und in der FIFA-Weltrangliste sei das Inselteam um 60 Plätze besser plaziert als Luxemburg.

Philipp ließ nie einen Zweifel daran, daß es sich bei dem „Modell“ in seiner jetzigen Form nur um eine Zwischenetappe handeln könne. Sein Ziel ist es seit jeher, die Nationalspieler irgendwann in den Rang von Vollprofis zu erheben: „Nur dann darf auch der Anspruch an uns gestellt werden, international zu bestehen.“ Seine Forderung fand bislang kein offenes Ohr – ihm fehlte eben das stärkste Argument: ein Sieg. Den hat er nun! Mal sehen, was er daraus macht. Maurice Molitor