: Zäsur
„Republikaner“ im Abgeordnetenhaus ■ K O M M E N T A R E
Am heutigen Tag soll den Ankündigungen zufolge der Einzug der „Republikaner“ ins Berliner Parlament und in die Bezirksrathäuser gewaltsam verhindert werden. Auch wenn Protestwellen womöglich ihren physischen Einzug verhindern könnten, ins Parlament sind sie eingezogen. Unwiderruflich für Berlin. Daß Politik mit offenem Ausländerhaß und Nationalismus parlamentsfähig geworden ist, daß die „Gemeinsamkeit der Demokraten“ nun nicht mehr das Parlament als exklusiven Klub betrachten kann, sondern den häßlichen rechtsradikalen Deutschen als Mitglied hat, verunsichert und macht Angst.
Der Einzug der „Republikaner“ in Berlin hat Schlüsselcharakter für die Zukunft - nicht nur, weil auch für die Rechten nichts erfolgreicher sein wird als der Erfolg. Es ist eine historische Zäsur. Die Politik gegen die extreme Rechte in den letzten Jahrzehnten war immer ein Amalgam von Leugnung, Verdrängung und Integration. Die obskure Einheitsfront von antifaschistischen Kampf, Gemeinsamkeit der Demokraten und Verfassungsschutz adelte die Rechte zur kämpfenden Minderheit, die sich allerdings immer auf die Mehrheit der Stammtische berufen konnte. Diese Konstellation hat eine emotionale Aura geschaffen, in der „Republikaner“ zur Protestpartei für Sozialneid, zum Sprachrohr für die gedemütigte Mittelschicht gegen die Parteien überhaupt werden konnten - ein Phänomen, wie es seinerzeit die Poujadisten in Frankreich darstellten.
Aber der Einzug der „Republikaner“ zeigt auch den Zerfallsprozeß der CDU. Die große Nachkriegslegitimation für die Volksparteien, wonach ihre Größe und Bindungskräfte zu den radikalen Rändern die Stabilität der Demokratie garantiere, ist zu Ende. Die CDU kann nicht mehr eine Politik der Mitte so ohne weiteres mit der Integration des rechten Randes verbinden. Der Berliner CDU-Politiker Lummer hat dies begriffen, wenn er jetzt schon von Koalitionsfähigkeit der „Republikaner“ spricht. Auch die CSU kann nicht mehr darauf hoffen, durch die Schlachtung von Geißler den rechten Rand zurückzugewinnen. Das liegt weniger am Erstarken der Rechtsextremen als an der Tatsache, daß auch die CDU-Regierungen dem politischen Mainstream folgen mußten und eben keine Politik der Wende inszenieren konnten. Die Bundesrepublik ist längst schon zur multikulturellen Gesellschaft geworden, und die Bereitschaft der Bevölkerung, demokratisch zu intervenieren, ist unter der Kohl-Regierung eher gewachsen. Alle Versuche, eine Rechtswende von der Veränderung des Asylrechts bis zum Demonstrationsrecht einzuleiten, haben gezeigt, daß die Mitte der Gesellschaft seit der Adenauer-Zeit wesentlich weiter nach links gerückt ist. Außerdem: Sollte in Berlin oder anderswo eine linke Mehrheit regieren, wird das die extreme Rechte stabilisieren. Der parlamentarische Auftritt der „Republikaner“ drückt eben auch die Selbstverständlichkeit eines Demokratisierungsprozesses aus.
Gerade deswegen sind die Tricks, die „Republikaner“ von der Vizepräsidentenschaft des Parlaments fernzuhalten und aus den Bezirksverordnetenversammlungen herauszuhalten, nicht nur hilflos, sondern auch politisch falsch. Es ist ohnehin undemokratisch, mit Geschäftsordnungen Antidemokraten zu konterkarieren. Es gibt auch keinerlei Anlaß, mit solchen Manövern das Bild einer Gefährdung der Demokratie zu inszenieren. Die „Republikaner“ sind ausschließlich eine Gefahr für die CDU. Ihr jahrzehntealtes Modell der Regierungsfähigkeit - Stimmen von rechts und Politik der Mitte mit Geschenken nach rechts - ist gescheitert.
Klaus Hartung
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