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Zähes Pokern vor Konferenzbeginn

■ Palästinenser reisen mit Delegierten nach Moskau, die eigentlich keine sein dürften/ Schamir deutet Kompromiß mit USA über Kreditgarantien an/ Einschränkung beim Siedlungsbau jedoch abgelehnt

Jerusalem/Moskau (wps/ap/taz) — Die Situation erinnert mittlerweile an einen Wettstreit zwischen Halbwüchsigen über die Frage, wer am längsten die Luft anhalten kann. Noch halten beide Kontrahenten, wenn auch mit hochroten Köpfen, durch — und so werden sowohl die israelische als auch die palästinensische Delegation heute in Moskau zur dritten Runde der multilateralen Gespräche Platz nehmen. Die palästinensische Delegation ist gestern nach Moskau abgereist.

Die Frage ist nur, wie lange es beide Parteien an einem Tisch aushalten. Denn die palästinensische Delegation wird, gemäß den Beschlüssen der PLO von Sonntag abend, sich nicht mehr an die ursprünglich mit Israel und den USA vereinbarte Geschäftsgrundlage halten und nun auch Vertreter aus Ost- Jerusalem und aus der Diaspora als offizielle Delegationsmitglieder nach Moskaus schicken. Zugelassen waren bislang lediglich „Araber aus Judea, Samaria und dem Gaza-Streifen“ im Rahmen einer gemeinsamen jordanisch-palästinensischen Delegation. Der israelische Außenminister David Levy, direkt von seinem China-Aufenthalt in die russische Hauptstadt eingeflogen, erklärte postwendend, seine Regierung werde jede Teilnahme von Palästinensern, die nicht aus dem Westjordanland oder dem Gaza-Streifen kommen, strikt zurückweisen.

Die neuerliche Kraftprobe über scheinbar formale Kriterien zeigt, wie eng der Handlungsspielraum vor allem für die Palästinenser geworden ist: Nachdem die Verhandlungen in Washington von Mißerfolgen gezeichnet waren und die israelische Regierung durch forcierte Siedlungspläne und Deportationsbefehle gegen Palästinenser alles andere als Kompromißbereitschaft zeigte, ist die Stimmung unter der palästinensischen Bevölkerung eindeutig gegen eine Fortsetzung der Friedensgespräche gerichtet. Mit der neuen Zusammensetzung der Delegation will man in den eigenen Reihen demonstrieren, daß man sich nicht alle Bedingungen von Israel diktieren läßt.

Nach Angaben arabischer Kreise in Moskau haben die USA und Rußland unterdessen ein Orientierungskomitee gegründet. Das Komitee — bestehend aus den USA, Rußland, den Konfliktparteien sowie Ägypten und Saudi-Arabien — soll den Angaben zufolge die Diskussionen der vier Arbeitsgruppen zu Einzelaspekten des Nahost-Konflikts beaufsichtigen. Die vier Themenkreise sind die Wasserversorgung, Umweltprobleme, die Wirtschaftsentwicklung und die regionale Rüstungskontrolle. Die USA, Rußland, Japan und die EG sollen jeweils den Vorsitz eines Arbeitskreises übernehmen.

Selbst wenn die Moskauer Runde diese erste Zerreißprobe übersteht, dürften die Gespräche durch die Absage der Syrer und Libanesen erschwert werden. Das Problem der palästinensischen Flüchtlinge, das auf der Tagesordnung steht, kann ohne Libanon, wo 400.000 von ihnen leben, nicht erörtert werden. Ohne Syrien und Libanon ist auch eine Diskussion des Problems der Wasserversorgung schwierig geworden. An den Moskauer Gesprächen teilnehmen werden Jordanien, Ägypten, die Golfstaaten und Marokko. Insgesamt sind Vertreter von mehr als 34 Staaten anwesend.

Unterdessen versucht sich Israels Ministerpräsident Schamir, den der Verhandlungsprozeß ebenfalls in innenpolitische Schwierigkeiten gebracht hat, durch optimistische Rhetorik Luft zu verschaffen. Er erwarte einen Erfolg bei der Nahost-Konferenz in Moskau, erklärte Schamir am Sonntag abend in Jerusalem. Im gleichen Atemzug verbreitete er die Nachricht, die US-Regierung sei grundsätzlich bereit, Israel die strittige Bürgschaft über zehn Milliarden Dollar zu gewähren. Noch gestern hieß es aus Washington, entsprechende Verhandlungen zwischen Israel und den USA seien ergebnislos auf das nächste Wochenende vertagt worden.

Zuvor hatte der israelische Regierungschef die amerikanische Forderung abgelehnt, als Gegenleistung für die Bürgschaft den Bau jüdischer Siedlungen in den besetzten gebieten einzufrieren. Vor Journalisten kündigte Schamir allerdings auch an, man werde nun „gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um einen Kompromiß zu finden, der weder der US-Politik noch unseren Prinzipien widerspricht“. Unter den israelischen Siedlern ist inzwischen ein Verteilungskampf um Gelder ausgebrochen. Israelische Polizisten und Soldaten haben am Sonntag Israelis von jordanischem Gebiet zurückgeholt, die dort nach Angaben der israelischen Armee mehrere Meter von der Grenze zu Israel entfernt zwei Zelte aufgeschlagen hatten. Nach Angaben der israelischen Nachrichtenagentur 'Itim‘ wollten die Israelis mit ihrer spektakulären Aktion dafür demonstrieren, daß die Regierung in Jerusalem jüdische Siedler in der Nähe der Grenze zu Jordanien stärker unterstützt. Zwischenfälle gab es nicht. awo/anb

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