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ZWISCHENWELT

■ "Tussenbeide" von der belgischen Gruppe Stap auf dem Spielplatz

ZWISCHENWELT

„Tussenbeide“ von der belgischen

Gruppe Stap auf dem Spielplatz

Manchmal berührte Stap einen mit dem Zauberstab, und es wehte eine Empfindung von der Bühne her, als würde man in eine Zwischenwelt hineinblicken wie in den Filmen von Cocteau. Was zwischen den Spiegeln auf der Bühne geschah, war einerseits von einer konzentrierten, intensiven Realität und Authentizität - nicht wie ein Schauspiel, in dem für die Zuschauer etwas dargestellt wird, sondern eher an ein Ritual erinnernd, das für den Spielenden selbst von großer Bedeutung ist. Andererseits aber reichten die Tanzenden mit ihren Gesten dem Zuschauer verschlossene Räume hinüber und kommunizierten mit Unsichtbarem.

Die Gruppe Stap zeigte eigenartiges, starkes Tanztheater. Der Regisseur Erik Wouters begann 1984 mit geistesschwachen Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, „Tussenbeide“ (Zwischen beide) ist die dritte Produktion. Bei dem Erlebnis ihrer Bühnenpräsenz, ihrer Lust und Stärke der Selbstdarstellung geht es nie um einen Leistungsnachweis „auch Behinderte können tanzen“ - im Sinne einer Angleichung an und Anerkennung durch die Normalität. Sie werden nicht mit angelernten Fertigkeiten vorgeführt. Niemand kann ihr Stück „Tussenbeide“ nachahmen: Es ist aus ihren Darstellungsbedürfnissen und eigensinnigen artistischen Fähigkeiten entstanden. Licht, eine spannende und poetische Musik und das Bühnenbild mit durchsichtigen mobilen Spiegeln formen ihre Spiele zu einem magischen und faszinierenden Bilderstrom.

Zwischen den Kindern und Jugendlichen tauchen zwei fremdartige Wesen auf: ein paar in Abendgarderobe, tangotanzend. Zuerst staunen die Kinder sie an, sind selber Publikum im Theater. Zwischen ihnen und den Tänzern entwickeln sich Spannungen, Freundschaften, Gemeinsamkeiten. In ihrer Nachahmung von deren Bewegungssprache entsteht durch die ihnen eigene Motorik eine immer neue Interpretation. Die Vokabeln ihrer Körpersprache sind einfacher; jeder erfindet sie für sich. Sie bleiben in jedem Rollenspiel sie selbst und nehmen von anderen nur an, was ihnen paßt.

Zum Schluß rissen sie die Arme hoch und nahmen den Schlußapplaus entgegen wie Champions.Katrin Bettina Müller

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