ZDF in Karlsruhe angeklagt: Zu nah am Staat?
Bislang waren nur die Grünen und die Linke an einem Überprüfungsverfahren zur Staatsferne des öffentlichen Fernsehsenders interessiert. Jetzt springt auch die SPD auf.
BERLIN taz | War da noch was? Anscheinend ja doch: Nach monatelangem Stillstand kommt wieder Fahrt in die Debatte über fehlende Staatsferne beim ZDF und Konsequenzen aus der Causa Brender/Koch. Nach taz-Informationen soll spätestens im Dezember das Überprüfungsverfahren für den ZDF-Staatsvertrag beim Bundesverfassungsgericht beginnen. Und auch ein gemeinsamer Karlsruher Antrag von SPD und Grünen ist nicht mehr ausgeschlossen.
„Wir sprechen miteinander“, bestätigt der medienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Martin Dörmann. „Es zeichnet sich ein gemeinsames Vorgehen ab“, sagt auch Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Grüne. Bislang hatte die SPD nicht mit der von den Grünen im Bundestag zusammen mit der Linkspartei angeleierten Normenkontrollklage gemeinsame Sache machen wollen, sondern über das Bundesland Rheinland-Pfalz ein eigenes Verfahren angestrebt. Dadurch fehlte dem Grünen-Vorstoß die für eine solche Klage aus dem Bundestag heraus nötige Unterstützung von einem Viertel der Abgeordneten.
Hintergrund für die ablehnende Haltung war bislang die Position des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD), der auch Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrats ist: Ihm gehen die Staatsferne-Forderungen des Grünen-Antrags, wonach künftig keine Regierungsvertreter mehr in den Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sitzen sollen, zu weit.
Der ZDF-Verwaltungsrat, dem allein fünf amtierende oder ehemalige Ministerpräsidenten sowie Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) angehören, hatte vor knapp einem Jahr auf Betreiben der Unionsparteien den langjährigen ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender abgesägt. Treibende Kraft war der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Beck hatte sich zunächst um eine schnelle Reform des ZDF-Staatsvertrags auf politischer Ebene bemüht, war aber an der ablehnenden Haltung der Mehrheit der unionsregierten Länder gescheitert und hatte daraufhin die Verfassungsklage angekündigt.
Nun liegt die SPD-Klageschrift des Kölner Verfassungsrechtlers Karl-Eberhard Hain vor – und deckt sich offensichtlich doch in vielen Punkten mit den vom Mainzer Staatsrechtler Dieter Dörr formulierten, von der SPD bislang als zu weitreichend kritisierten, Forderungen der Grünen. „Es gibt parteiübergreifend ein großes Interesse, dass der Gang nach Karlsruhe zu einer konzertierten Aktion wird“, sagt Rößner. Außerdem bestimmten ja nicht einzelne Juristen und ihre Klageschriften über den Ausgang des Verfahrens, „sondern das entscheidet am Ende das Bundesverfassungsgericht“.
Für die rheinland-pfälzische Staatskanzlei bestätigte deren Chef Martin Stadelmaier, dass derzeit die Abstimmung der SPD-regierten Bundesländer in Sachen Klage laufe. „Wir werden bis Ende November Klarheit haben“, so Stadelmaier zur taz: „Wenn sich der Deutsche Bundestags hier beteiligt und sich Fraktionen dieser Klage anschließen, soll uns das sehr recht sein“. Die CDU machte derweil mit durchsichtigen Ablenkungsmanövern von sich reden: Ihr medienpolitischer Sprecher Wolfgang Börnsen forderte einen „Ältestenrat“, der die Arbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie der Privatsender evaluieren soll. Schon die Absetzung Brenders war von der Union seinerzeit mit angeblichen Qualitätsmängeln begründet worden. Immerhin der Ausdruck Ältestenrat passt aber zum ZDF – es hat schließlich die ältesten Zuschauer im deutschen Fernsehen.
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