ZDF-Streit belastet Intendanten: Chefredakteur-Poker mit Folgen
Der Streit über die Verlängerung des Vertrags von ZDF-Chefredakteur Brender belastet Intendant Schächter. Ohne Gesichtsverlust entkäme er nur beim Verzicht Brenders.
Seit Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) deutlich gemacht hat, wie er Unabhängigkeit und Staatsferne öffentlich-rechtlicher Sender interpretiert, hängen dunkle Wolken über dem Mainzer Lerchenberg.
Als stellvertretender Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrat hatte Koch signalisiert, dass eine Vertragsverlängerung des Chefredakteurs Nikolaus Brender, die ZDF-Intendant Markus Schächter und auch die SPD will, für ihn nicht infrage kommt. Hat Koch das Unionslager hinter sicht, läuft der Intendant auf der entscheidenden Sitzung des Gremiums am 27. März Gefahr, eine bittere Niederlage zu erleiden, was für den Rest seiner eigenen, bis März 2012 dauernden Amtszeit wenig Gutes verheißt.
Inzwischen ist zwar die erste Aufregung verflogen, die Fronten aber scheinen nach wie vor verhärtet. Denn neben seinem Edmund Stoiber, der nach Auskunft der Bayerischen Staatskanzlei turnusgemäß erst 2012 aus dem Verwaltungsrat ausscheidet, kann Koch inzwischen auch auf Rückendeckung aus dem Kanzleramt rechnen. Das jedenfalls will Spiegel Online in Erfahrung gebracht haben, da auch im Umfeld von Kanzlerin Merkel Widerstände gegen eine Verlängerung von Brenders Vertrag geäußert wurden. Da die Union traditionell eine strukturelle Mehrheit im ZDF-Verwaltungsrat hat, wird es nun auch für Markus Schächter eng, der an seinem Personalvorschlag festhalten will.
Schächter kann dabei mit der Unterstützung des Leitungspersonals im eigenen Haus wie auch mit der des "roten Freundeskreises" im ZDF rechnen. Bekanntlich hatten 14 prominente und führende ZDF-Mitarbeiter quer durch alle Lager - darunter Claus Kleber, Claus Richter, Urs Röller, Guido Knopp oder Maybrit Illner, aber nicht Programmdirektor Thomas Bellut - in einem offenen Brief Schächters Vorschlag befürwortet und vor Einmischungen in die Unanhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewarnt.
Parteipolitisch motivierte und konstruierte Vorwürfe gegen Brender machte auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) aus, der dem Verwaltungsrat vorsteht. Denn Koch hatte Brenders Leistungsbilanz vor allem aufgrund vermeintlicher Quotenverluste bewertet. Dass Quote und vor allem Qualität kaum Kriterien des Verwaltungsrates sind, sondern Gegenstand von Beratungen in Fernsehrat und Programmausschuss des ZDF, hatte Koch geflissentlich übersehen.
Koch und der Unionsriege geht es ohnehin nur bedingt um die Leistungsbilanz des Chefredakteurs, wichtig ist ihnen auch die Position des Intendanten. Denn Schächter, der einst nach monatelangem Gezerre als Kompromisskandidat auf CDU-Ticket zum Intendanten gewählt wurde, weil die SPD zustimmte, hat sich in Teilen des konservativen Lagers unbeliebt gemacht.
Vorgeworfen werden ihm von "schwarzen Kreisen" Undankbarkeit, fehlende Demut und ungeschicktes Taktieren bei der jüngsten Wahl von Willi Steul zum Nachfolger von Ernst Elitz als Intendant von Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk. Nachgetragen werden ihm auch die guten Kontakte zu Beck. Dass sich das ZDF und die rheinland-pfälzische Staatskanzlei die Kosten des offiziellen Empfangs zu Becks 60. Geburtstag am 5. Februar in Landau teilten, ließ die Schar der Schächter-Kritiker im eigenen Lager nicht gerade kleiner werden.
Bei nüchterner Betrachtung steht der Intendant nun vor der schwersten Bewährungsprobe seiner fast siebenjährigen Amtszeit. Mit dem besten Ergebnis aller ZDF-Intendanten im Amt bestätigt, aber vom eigenen Lager in den letzten Wochen bewusst beschädigt, muss Schächter in gut zwei Wochen einen Ausweg aus der Krise und eine Mehrheit für seinen Personalvorschlag finden und damit versuchen, weitere Imageverluste vom Sender abzuwenden.
Bleibt die Union im Verwaltungsrat bei ihrer harten Linie und Schächter bei seinem Kurs, droht dem Sender ein unwürdiger Personalpoker wie vor dem Amtsantritt des Intendanten, als sich beide Lager monatelang blockierten. Dies tangiert die Hardliner im Unionslager kaum, die darauf spekulieren, dass Medienpolitik ohnehin kein relevantes Thema für die Wahlen zum Bundestag Ende September ist, wohl aber manche Konservative in den Ländern und Kommunen. Schließlich muss sich auch Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU), der ebenfalls im ZDF-Verwaltungsrat sitzt, Ende August der Wiederwahl stellen.
Ohne Gesichtsverlust können der taktisch einst so versierte Schächter, der sein Handwerk als Pressesprecher der früheren rheinland-pfälzischen Kultusministerin Hanna-Renata Laurien (CDU) gelernt hat, und das Unionslager dieses inszenierte Bauerntheater unter dem Titel "öffentlich-rechtliche Sender als Beute von Parteien" eigentlich nur halbwegs überstehen, wenn Chefredakteur Brender auf eine Vertragsverlängerung von sich aus verzichtet.
Das gäbe dem Intendanten freie Hand, einen neuen Kandidaten in enger Abstimmung mit den "Freundeskreisen" beider Lager zu finden und nährte zumindest die Illusion, das gebührenfinanzierte ZDF sei staatsfern und unabhängig. Das ist nicht zu unterschätzen in einem Sender, in dem die Leitung jeder Hauptabteilung bis zum Korrespondentenplatz ziemlich streng nach schwarz-roter Farbenlehre vergeben wird.
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