: ZDF-„Kalauer“ vom Kalten Krieg
■ Aktuelle Richtlinie: Sender soll über „sowjetisch besetzte Zone Deutschlands“ berichten
Mainz (taz) - Entrümpelung tut not beim ZDF: Die Redaktion ist per Senderichtlinie vom März 1989 angewiesen, „über die Lage in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands und in den Gebieten hinter der Oder und Neiße“ zu berichten - „mit dem Willen zur Objektivität“. Das hätte CSU-Chef Theo Waigel nicht besser formulieren können! Ebenso dieses: „Das Programm soll der Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit und der Erhaltung der Freiheit Berlins dienen.“
ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser nennt das mit der „besetzten Zone“ ein „bedauerliches Relikt, eher absurd und komisch“. Bresser zur taz: „Wir machen 'Kennzeichen D‘. Seit Menschengedenken reden wir da von der DDR - ohne Anführungszeichen. Und wir berichten auch von Polen. Als ich erfahren habe, daß die Neufassung der Richtlinie noch immer das Relikt enthält, war ich - erstaunt.“
Wer kann's ändern? Bresser verweist auf den Intendanten und den ZDF-Fernsehrat, „aus dessen Mitte die Initiative dazu kommen muß“. Jockel Fuchs, Chef des ZDF-Fernsehrats, ist „dankbar für den Hinweis“ und gelobte gegenüber der taz: „Bei unserer nächsten Sitzung am 11. Oktober im stolzen Berlin streichen wir die Passage 'raus.“ Sie sei ein „Kalauer“.
Dennoch bleibt peinlich, daß ausgerechnet Fuchs und der Fernsehrat die ZDF-Richtlinie selbst am 17. März dieses Jahres aktualisiert hatten - ohne die „Zone“ durch DDR zu ersetzen. Ursprünglich datiert die umstrittene Phrase vom 11. Juli 1963, aus dem Kalten Krieg. Sozialdemokrat Fuchs, um deftige Sprüche nie verlegen, erinnert sich an damals: „Mitte der Sechziger ist ja jeder fast aufgefressen worden, der mal dort hinüber gefahren ist. Und wenn er noch mit einem SED-Mann gesprochen hat, dann war das gleich ein Verräter.“
Bresser und Fuchs legen Wert darauf, daß der antiquierte Paragraph keinen Einfluß aufs Programm gehabt habe, zumindest in den „letzten 15 Jahren“ nicht (Fuchs). Bresser: „Dahinter Politik zu vermuten, wäre falsch, glaube ich. Allenfalls ist das Nachlässigkeit bei der Überarbeitung.“ Doch: Würde nicht etwa der Bund der Vertriebenen im Fernsehrat bei einer Änderung aufschreien? Bresser sagt, er könne sich das „heute nicht mehr vorstellen“.
Fabian Fauch
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