ZDF-Doku zu Helmut Schmidts 90.: Von Toten nichts Böses
Die Helmut-Schmidt-Festspieltage anlässlich seines 90. Geburtstages gehen weiter. Auch in "Der deutsche Kanzler" (20.15 Uhr, ZDF) sparen die Zeitzeugen an Kritik am Jubilar.
Man muss Helmut Schmidt nicht mögen, um die ZDF-Dokumentation von Gunter Hofmann und Ruprecht Eser interessant zu finden. "Respektiert, aber nicht geliebt" worden sei der ehemalige Bundeskanzler während seiner Amtszeit, heißt es in dem Film. Es ist keine leichte Aufgabe, einen solchen Mann zu seinem 90. Geburtstag redlich zu würdigen, ohne zugleich die alten Schlachten neu zu schlagen.
Die Autoren von "Helmut Schmidt - der deutsche Kanzler" haben einen eleganten Ausweg aus dem Dilemma gefunden. Sie widmen Aspekten der Regierungszeit von Helmut Schmidt besondere Aufmerksamkeit, die sonst meist beim Rückblick auf die Zeit zwischen 1974 und 1982 angesichts dramatischerer Ereignisse wie Ölpreisschock, Nachrüstungsdebatte und Bedrohung durch den Terrorismus in den Hintergrund rücken. Der Beziehung zu Polen beispielsweise, das Schmidt neben Frankreich für den wichtigsten Nachbarn der Deutschen hält.
Der Kniefall von Willy Brandt vor dem Ehrenmal des jüdischen Ghettos in Warschau 1970 wirkte so nachhaltig, dass Besuche anderer Politiker später verblassten. Angesichts des eindrucksvollen Ausschnitts der Rede von Helmut Schmidt in Auschwitz, die in der Dokumentation zu sehen ist, beschleicht die Zuschauerin das Gefühl, damals nicht genau genug hingesehen zu haben. Ein Schuldbekenntnis sei das gewesen, sagt der ehemalige Kanzler heute: "Nicht Bitten um Verzeihung. Das hätte ich nie gewagt anzudeuten."
Andere Themen des Films: die "Erfindung" regelmäßiger Treffen der führenden Industrienationen, damals noch G 6 genannt, die auf eine Initiative von Schmidt und seinem langjährigen politischen und persönlichen Freund Valéry Giscard dEstaing zurückgeht. Die Vorbereitung einer gemeinsamen europäischen Währung. Und, natürlich auch und trotzdem, die Ostpolitik, die Friedensbewegung, die RAF, die Energiekrise, die Antiatombewegung.
Viele Zeitzeugen von Henry Kissinger über Richard von Weizsäcker und Erhard Eppler bis hin zu dem inzwischen verstorbenen polnischen Ministerpräsidenten Mieczyslaw Rakowski kommen zu Wort. Um kritische Töne zu vernehmen, muss man allerdings sehr genau hinhören. Gewiss: Viele einstige Gegner von Helmut Schmidt sind inzwischen tot, andere - wie die frühere Grünen-Politikerin Antje Vollmer - milde geworden. Aber hat sich wirklich niemand finden lassen, der die unter Schmidt beschlossene Einschränkung von Bürgerrechten, den Nachrüstungsbeschluss oder die ausschließlich an Wachstum orientierte Wirtschaftspolitik noch immer falsch findet? Die Dokumentation erweckt den Eindruck, als habe Schmidt in allem Recht behalten - er selbst meint, die Geschichte habe ihm Recht gegeben. Bei allem Respekt: Darüber ließe sich selbst heute noch trefflicher streiten, als der Film es nahelegt.
Auch anderes fehlt, aber das ist wohltuend. Privates kommt nicht vor, schon gar kein Klatsch. Es geht tatsächlich um Politik und nur um Politik. Wunderbar. "Gegen jede Talkshow" habe man diesen Film machen wollen, sagt Autor Gunter Hofmann. Das ist gelungen.
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