: Xaver Unsinn interniert
■ Nach der Abschiebung des Bundestrainers auf's Krankenlager bleibt Erich Kühnhackl Coach bei der Eishockey-WM / Schweden Europameister
Bern (taz/dpa) - „Xaver Unsinn ist krank. Erich Kühnhackl hat die Mannschaft übernommen.“ Mit diesen kargen Worten verkündete Otto Wanner, Präsident des Deutschen Eishockey -Bundes (DEB), den wohl endgültigen Abschied des 60jährigen Unsinn, bislang Fels in der Brandung des bundesdeutschen Eishockeys, von der internationalen Bühne. Das 3:7 gegen den Aufsteiger Norwegen, das mit 0:14 Punkten den letzten Platz der Vorrunde und den fast sicheren Abstieg in die B-Gruppe bedeutete, hatte dazu geführt, daß nach einer Mannschaftssitzung der gerade leidlich genesene Unsinn einen „Grippe-Rückfall“ erlitt und sogleich beurlaubt wurde.
Der Krankgemeldete selbst war nicht zu sprechen. Er wurde in seinem Zimmer hermetisch abgeschirmt (DEB-Arzt Hipp: „Der kommt mir hier nicht raus und niemand darf rein.“) und dann geschwind nach München gebracht und in der Uni-Klinik interniert.
Gleichzeitig begann die hektische Suche nach einem Ersatz. Von den in Bern weilenden Kandidaten (Hejma, Zach, Olejnik, Nilsson) war jedoch keiner bereit, seinen guten Ruf in Gefahr zu bringen. Bei dem desolaten Zustand, den die Mannschaft gegen Norwegen offenbarte, geht es wohl nur noch darum, das gesunkene Schiff möglichst sanft auf Grund zu legen. Diese undankbare Aufgabe hat nun endgültig Erich Kühnhackl, bislang Unsinns Assistent, übertragen bekommen.
Kühnhackl fühlt sich der Aufgabe gewachsen, verweist auf seine zwanzigjährige Eishockey-Erfahrung und glaubt, auch „das nötige Fingerspitzengefühl“ zu besitzen. Als künftiger Bundestrainer kommt er dennoch nicht in Frage. Nach dem unrühmlichen Abgang des verdienstvollen Xaver Unsinn ist für Leute wie Josef Wagner, Manager des SB Rosenheim, klar: „Deutsche Trainer können wir vergessen.“
Entsetzen hat das - allerdings von vielen, unter anderem dem Bundestrainer selbst, erwartete - WM-Debakel bei den Bundesligaclubs ausgelöst. Das BRD-Team war stark ersatzgeschwächt, mit vielen jungen Spielern, in die Schweiz gereist, und bei der erwarteten Stärke des Aufsteigers Norwegen kommt das Herumdümpeln im Abstiegsstrudel keineswegs überraschend. Sorgen bereiten den Vereinsmanagern jedoch das Desinteresse und der mangelnde Kampfgeist, die vor allem beim Norwegen-Spiel zu beobachten waren. Sie fürchten einen Imageverlust, welcher Zuschauerschwund und Finanzeinbußen durch Sponsorenrückzug in der Bundesliga nach sich ziehen könnte. Entsprechend drastisch sind die geforderten Konsequenzen. „Radikale personelle Veränderungen“ wünscht sich Josef Wagner, und Kölns blutrünstiger Präsident Landen verlangt: „Beim Deutschen Eishockey-Bund müssen endlich Köpfe rollen.“
Während in der Abstiegsrunde die Punkte aus der Vorrunde, sofern welche gewonnen wurden, zum Leidwesen der Deutschen bestehen bleiben, werden in der Medaillenrunde, welche Kanada, die UdSSR, die CSFR und Schweden untereinander austragen, die Karten völlig neu gemischt. Alle Teams beginnen wieder bei Null, nichts nützt es den Kanadiern, daß sie ungeschlagen Vorrundensieger wurden, und nichts nützt den Schweden ihr großartiger 3:1-Sieg gegen die Sowjetunion, zumindest, was die Weltmeisterschaft betrifft. Denn da die Vorrunde für die beteiligten europäischen Mannschaften als Europameisterschaft gewertet wird, dürfen die Schweden sich nach ihrem abschließenden 5:1 gegen die CSFR immerhin ihres zehnten EM-Titels freuen.
Spitzeneishockey zeigten die beiden WM-Favoriten zum Vorrundenabschluß bei ihrem ersten Aufeinandertreffen. Kanada und die UdSSR trennten sich in einem rasanten Spiel 3:3, wobei Fedorow erst drei Minuten vor Schluß der Ausgleich für die Sowjets gelang. Ein Tor schoß auch Steve Yzerman, der bester Vorrunden-Scorer mit 15 Punkten vor Chomutov/UdSSR (13) wurde. Richtig ernst wird es am Montag, wenn die beiden erneut aufeinandertreffen. Dann nämlich geht es um Punkte.
Matti
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