: Wunderbares Schwachwerden
■ „Shu-Shu-Show“ im Offenen Kanal: Ein Fan berichtet
„Ist es immer so angenehm und nett bei euch?“, fragt die Filmemacherin Bettina Gössler in die Unterhaltung, welche sie mit „Moderatorman“ Mummenhoff in der Shu-Shu-Show auf dem Offenen Kanal führt. Die Anfrage Gösslers kommt aus der Irritation vor der unangestrengten Atmosphäre der Show. In Frage- und Raterunden müssen zwei bis drei Teams in der einmal im Monat ausgestrahlten Sendung wahre, vom Gast aufgetischte Begebenheiten von Lügengeschichten unterscheiden. Wer richtig rät, gewinnt aber nicht ohne weiteres eines der von Gössler mitgebrachten Geschenke. Denn die Schiedsrichterin Christine Schulz bemüht sich, nicht nur die korrekten Indizienurteile, sondern auch milde moralische Eindrücke in ihre Entscheidungen einfließen zu lassen. Die Autoritätsverteilung ist jedoch nicht so festgelegt, wie es das vage an die Sendung von Robert Lembke und Wolfgang Spier erinnernde Konzept vermuten läßt. Ein Ratender fragt zum Beispiel leicht und offen amüsiert über Mummenhofs Verhedderung: „Sag' mal Philipp kann es sein, daß dich unser Studio-Gast ein bißchen betört?“ und bringt damit den krankenkassenbebrillten „Moderatorman“ auf eine nett verschmitzte Art durcheinander.
Hinter den Fragen, den Ratespielen um drei Paar Schuhe, ist Platz für unsteife, große Gefühle. Der Sänger Ingo Koglin spielt auf der Gitarre zwischendurch ein paar Lieder, die möglich scheinen lassen, daß ein „Aufstand“ etwas ist, was genauso mit wunderbarem Schwachwerden wie mit Stürmen und Drängen zu tun haben kann. An der Produktion einer Show beteiligen sich etwa 20 Engagierte, die sich sehr genau überlegen, was sie in einer Sendung tun und was sie von ihr erwarten. Das erste ist überschaubar, das zweite diskutieren die Beteiligten nach gut zwei Jahren mit wachsendem Elan. Indem das Team sich grundsätzlichen Fragen zu ihrer Mitarbeit und zum Konzept ihrer Sendung stellt, erhält auch das Grundanliegen der Shu-Shu-Show Kontur: Verantwortung zu übernehmen, für diejenigen, die mitmachen sowie für jene, welche das Ergebnis dieser Mitarbeit zu sehen bekommen. Die Show ist nicht nur deshalb vor allen Dingen auch : schön. Kristof Schreuf
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