■ Wühltisch: Schokolade, blöd
Achtung, es folgt ein blödes Wort: „Schoklis“. Das finden Sie doch auch blöd, nicht wahr? Kindisch irgendwie. Das ordnen Sie mehr so den Schweizern und Schwaben zu, weil die überall – sogar an meterlange Eiche-rustikal-Schrankwände – ein verniedlichendes „i“ oder „li“ dranhängen, damit in den Köpfen von Nichtschwaben und Nichtschweizern ihre Riesen-giganto- Schrankwände zu süßen „Schrankwändlis“ mutieren sollen. Aber „Schoklis“ ist gar kein schwäbisches oder schweizerisches Dialekt-Brabbelwort, sondern der höchst offizielle Name von kleinen – wahlweise mit Nougat oder Kaffeecreme gefüllten – Schokoladenvierecken. Man kriegt die Dinger überall dort, wo man auch „Schogetten“ kriegt, die genauso aussehen und genauso schmecken und genauso blöd heißen. Wer allerdings statt eckiger gefüllter Schokolade lieber runde gefüllte Schokolade in sich reinstopfen will, kann seit einigen Monaten zwischen so ausdrucksstarken Produkten wie „Schoko-Bons“ oder „Schoko- Bonbons“ oder „Schokos“ wählen.
Die Produkte nebst ihrer nie funktionierenden Zipp-Verschlüsse der Verpackungstütchen weichen zwar leicht voneinander ab, dafür sind die Produktnamen zum Verwechseln gleich blöd. Genau wie der Zwang, sich immer wieder neue Namen für immer wieder neues Schokozeugs ausdenken zu müssen. Aber was will man machen? Wer die beste Schokolade wo gibt verkaufen will, muß der auch einen „spritzig-pfiffigen“ Namen verpassen. Mindestens. Und in der Tat: Nie war so viel Schokoladen-Snack-Vielfalt wie heute.
Fast monatlich überrascht mich mein Kaufmann an der Ecke mit einem neuen „Jetzt neu“-Schildchen neben der Kasse. Da gibt es dann zum Beispiel „Dacapo“, was eigentlich nix anderes ist als „Merci“, nur blöder heißt. Oder es gibt – rotes „Schon probiert?“-Schildchen drauf – ein neues „Lila-Pause“- Soundso-Crisp. „Kümmel- Sahne“ oder so. Auch „Milky Way“ schwimmt nicht mehr einfach nur in Milch, sondern überschwemmt uns mit tollen neuen Produkten wie „Safari“, „Crispy- Rolls“ oder den besagten „Schokos“. Da kann auch der ewig weiß-rote „Kinder“-Sachen- Hersteller nicht zurückstehen und rückt endlich, endlich die „Kinder-Milchschnitte“ und das „Kinder-Country“ und den „Kinder-Riegel“ und außerdem diese Waffelstäbchen mit dem blödesten aller blöden Produktnamen, „Kinder-Happy-Hippo- Snack“, heraus. Bis man das rausgestammelt hat, ist man längst verhungert.
Das deutsche Süßmaul liebt die Abwechslung. Angaben der Süßwarenindustrie zufolge wird rein mengenmäßig zwar keineswegs mehr Schokozeug gekauft als früher, dafür aber abwechslungsreicher. Überleben kann nur, wer für jeden Geschmack etwas im Sortiment hat. Da bringt „Ritter Sport“ jetzt die „Cniss Bits“ auf den Markt, die „Eszet- Schnitten“ protzen mit Zitronengeschmack, „Milka“ füllt Hustensaft in Schokolade, auf daß der Nascher „fresh“ und „cool“ werde, Alpia erindet – ganz richtig! – den „Alpia-Snack“, der „Sarottimohr“ schmeckt nach „Strawberry“, „Raider“ heißt jetzt „Twix“, nur wer diesen „Mandarinen-Lemon-Crisp“ auf den Markt geschmissen hat, weiß ich nicht. Und will's auch gar nicht wissen.
Alles ist immer „locker und leicht geschlagen“, „zart umhüllt“, „knackig gefüllt“, „zartschmelzig caramellt“ und voll urgesunder „Vollmilchfüllung“, die Kinder- und Elternherzen bis hoch zur Zugspitze schlagen läßt. Und im Prinzip schmeckt alles gleich. Alles. Nur die Namen sind anders. „Duplo“ und „Rolo“ und „Toblerone“ heißen ja schon seit unseren Kindertagen so blöd, da können ein paar „Happy Lemons“, „Banitas“, „Torinos“ oder „Dualitos“ eigentlich auch nix mehr schaden. Jedenfalls immer noch besser, als seinem Lieblingspulli mit „Burti“-Wollpflege aufzulauern, das Hemd mit „Cico-Color“ zu waschen oder den Teppich mit „Tuba“ oder „Imi“ zu schrubben. Und eine gute Freundin von mir spült ihr Geschirr mit „Dalli“. Dalli!
Ich stopf' mir jetzt eine Ladung Frust-Schokolade rein. „Tender“ meinetwegen. Oder „Jogurette“. Mir doch egal. Soll doch heißen wie es will, das Zeug. Meine Vermieterin heißt „Edelgard“. Ist auch nicht besser. Frank M. Ziegler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen