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WühltischAutotheorien

■ Werbeslogans, Hitlers Einsamkeit und das Fahrer-Ich in der Krise

Wenn die Rede aufs Auto kam, geriet Hitler ins Schwärmen. Die schönsten Stunden seines Lebens, heißt es, habe er im Auto erlebt. Um ihr besonderes Autogefühl beneidete er sogar die Amerikaner: „Aber eines haben die Amerikaner, was uns abgeht, das Gefühl für die Weite und Leere des Raumes. Einmal kommt dieses Gefühl immer zum Durchbruch und läßt sich nicht mehr zurückdrängen. (...) Ich habe es immer im Spessart als Geschenk empfunden, daß man dort zwei Stunden und mehr fahren kann, ohne einen Menschen zu sehen.“

Der Diktator beliebte zu träumen. Er genoß die einsamen, privatistischen Momente des Glücks, weil nichts und niemand ihm in die Quere kommen konnte. Größere „Freude am Fahren“ (BMW) war nie. So kommt es, daß man den Duft der großen, weiten Welt heute vielleicht bei einer Zigarette erleben kann, selten jedoch auf der Autobahn, die Hitler sich nicht als schnellste Verbindung zwischen zwei Punkten ausgedacht hatte, sondern als Fluchtlinie zurück in die Einsamkeit. Denn immerzu stören einen die anderen.

Dem hat die Branche seither Rechnung getragen und ist bis auf wenige Ausnahmen, vor allem die Hersteller von schnellen Luxuskarossen, aus dem Spaßprogramm ausgestiegen. In der Mittellage führen alle Wege in die bekannten Sozialtheorien. Als die Japaner den europäischen Markt zu erobern begannen, herrschte allerorten noch die Postmoderne. Alles schien möglich, die Lehre Feyerabends war längst zum Feierabendzitat umgemünzt worden: „Anything goes“, „nichts ist unmöglich, Toyota“.

Der flotte Spruch, mal im Tiersprech, mal dialektisch verhüllt als Antiwerbung, sollte Folgen haben. Die Konkurrenz fühlte sich zur theoretischen Überbietung angespornt. Im Hause Opel („Jeder Popel fährt 'nen Opel“, reimten wir als Kinder) machte man sich die Sache sehr einfach, indem man glaubte, mit der Konsenstheorie von Habermas gut zu fahren. „Wir haben verstanden!“ lautete die universalpragmatische Antwort auf alles, wonach gar nicht gefragt worden war. Ganz in diesem Sinne empfahl sich der neue VW Sharan als Kommunikationscenter, und selbst im vergleichbaren Mercedes-Modell scheint alles darauf hinauszulaufen, daß man sich fromm gegenübersitzt.

Schluß mit dem ewigen Gequatsche, kam es derweil etwas polternd aus Köln. Der linguistic turn ist vorbei, jetzt gilt es wieder anzupacken. „Die tun was“, lautet die forsche Devise, die auf eine eigenartige Sprechertheorie deutet. Wer spricht, wenn es „Die tun was“ heißt? Die Firma kann es nicht sein, denn sonst müßte es heißen: „Ford, wir tun was“, wobei auch nicht klar wäre, was eigentlich getan wird. „Die tun was“ ist ein autopoietisches Murmeln, ein Akt fortwährender Autosuggestion. Ford, da wird schon was getan werden.

Was auf den ersten Blick als griffige Handlungstheorie daherkommt, erweist sich bei näherem Betrachten als grüblerisches Zweifeln. Die Autotheorien verweisen auf ein Fahrer-Ich in der Krise. Wie anders soll man den regressiven Slogan „Er kann. Sie kann. Nissan“ verstehen als die Aussage, daß das Ich, das nicht kann, mit einem Nissan aber vielleicht besser zu Rande käme. Während Hitler noch die weite Leere erträumte, wird der heutige Automobilist von nackter Potenzangst gequält. Eins scheint jede Autotheorie insgeheim zu ahnen. Wo Es war, kommt das Auto auch nicht hin. Harry Nutt

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