Wühltisch: Lebersuppe Lefzenschlecker
■ Die Produktpalette für Hundeleckerchen ist groß, sehr groß – ist sie vielleicht zu groß?
Um mal wieder auf den Hund zu kommen. Die Vogue hat es schon lange gewußt: Auch Hunde haben Geschmack. Wahrscheinlich haben sie sogar den besseren Geschmack. In einer tierischen Extraausgabe berichtete das Nobelblatt über Haute Couture, Design und Schnitte – alles für den lieben Hund. Trendtips hierzu gaben internationale Modedesigner. Für den Franzosen Claude Montana ist die Königspudeldame, was für eine Bezeichnung, das Topmodel unter den Hunden. Der Italiener Valentino verläßt sich ganz auf den Geschmack seiner instinktsicheren Möpse. Er sieht seine eingedrückten Bonvivants am liebsten in pinkem Taft.
Doch ein Blick in die heimischen Hundeshops offenbart: Haute Couture hängt hier nicht an der Stange. Nackt muß trotzdem keiner der fünf Millionen bundesdeutschen Hunde den Laden verlassen, denn das Angebot an Prêt-à-porter ist reichhaltig.
„Ganz trendy sind diese Saison die flotten Jeansjacken mit Lammfellfutter“, berät ein Hamburger Zoofachhändler seine Kunden. Bis Konfektionsgröße 50 sind die guten Stücke schon ab 69 Mark zu haben. Etwas teurer, dafür aber ein ausgesprochener Klassiker der Hundemode, ist das Regencape im englischen Stil mit Karomuster.
Bei solchen Modellen muß Wauwi auf die Figur achten, was bei dem Gourmetangebot auf dem Eßwarenmarkt nicht ganz einfach ist. Müslisnacks, Miniburger, Fleischpralinen und exquisite Hackkreationen sind im Angebot. Der Umsatz auf dem Fertigfuttermarkt betrug 1995 immerhin 1,2 Milliarden Mark. Wer seinen vierbeinigen Hausfreund lieber selber bekochen möchte, ist bestens mit Suzan Andersons Buch „Kochen für den Hund“ bedient. Unter den rund 100 Rezepten findet man kulinarisch-animalische Herausforderungen wie „Quiche Canino“, „Pawlows Entzücken“ oder „Lebersuppe Lefzenschlecker“.
Fettleibigkeit, Atemnot, Herzrhythmusstörungen und Karies beschäftigen zunehmend die auf Kleintier spezialisierten Veterinäre. Aber nicht nur die. Mopsis Figurprobleme werden derweil längst von Masseuren und Heilpraktikern versorgt. Medizinisch kontrollierte Schwimmbäder und traditionelle chinesische Akupunktur wirken auch beim Vierbeiner. Bei mentalen Problemen hilft der tiefenpsychologische Ratgeber „Der unverstandene Hund“ von Ferdinand Brunner. Oder eine Hamburger Hundepsychologin, die zur besseren Erkundung der Hundepsyche auf Hausbesuche schwört. „Ich kann die Probleme des Hundes nur in seinem sozialen Umfeld erkennen.“
Aber zur gesunden Psyche des Hundelebens bedarf es vor allem der Haltertherapie. Bundesweite Telefonseelsorge gibt es unter der Nummer: (0180) 5243224, unter der die TTT firmiert, die Tier – Tod – Telefonhilfe. Alle Anrufer werden von der Firma Kaleidozoo gewissenhaft und kostenpflichtig über Möglichkeiten der Tierbestattung informiert. Das neueste Produkt ist der „Sarg für den kleinen Freund“. Betroffene können den Pappschrein in vier Größen mit einem „Ruhe- sanft“-Kissen jederzeit ordern. Aber damit nicht genug. Derzeit in Status nascendi ist ein virtuelles Projekt, das allen Tierfreunden mit Internet-Zugang entgegenkommt. Kaleidonia, der virtuelle Tierfreund, wird demnächst unter http://www .kaleidonia.com erreichbar sein. Die Homepage dient dazu, Hunde und andere Haustiere virtuell zu bestatten. Hierzu können Reihen- und Urnengräber für einen bestimmten Zeitraum gepachtet werden.
Der Katalog verspricht: „Besucher können sich in das Kondolenzbuch eintragen, die Gedenkstätte besuchen oder in der Kapelle Abschied nehmen oder auch in die Tiefe der Urnenhalle steigen, um sich der mystischen Frage des Verhältnisses zwischen Mensch und Tier zu widmen.“ Silke Gronwald
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen