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■ Wo's läuft: taz-Jogging-Serie, 2. TeilSchneewalzer, Rückwärtslaufen und Umwege

Wenn schon U-Bahn, Bus oder S-Bahn, dann möglichst nur hin – zurück wird gelaufen – und möglichst nur sehr kurz, denken viele Jogger, und sie verfallen deswegen auf den Tiergarten. Unangenehm auffallen, weil man gegen spaziergängerische Konventionen verstoßen könnte, tut man hier schon lange nicht mehr. Die Anlage, in der auch der Bundespräsident sein Schloß Bellevue bewohnt – wenn die Fahne weht, ist er zu Hause –, ist groß und gut ausgeschildert. Auch durch den Umstand, daß die U-Bahn-Stationen Zooologischer Garten und Hansaplatz und die S-Bahnhöfe Kurfürstenstraße, Tiergarten, Bellevue, Lehrter Stadtbahnhof und Potsdamer Platz den Park regelrecht einrahmen, ist der Tiergarten ein ideales Laufareal.

Sogar eines mit Tradition: In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, um 1826 herum, veranstaltete Christian Wilhelm Dreyer hier Schauläufe. Dreyer hatte das Genre der Schnelläufer um bestimmte Kunstfertigkeiten erweitert und zeigte vor zahlendem Publikum solche Darbietungen: „Er wollte 100 Runden (etwa 21/2 Meilen)“, heißt es bei den Historikern Herbert Bauch und Michael Birkmann über eine ähnliche Vorführung in Hamburg, „in 95 Minuten bewältigen: Beginnend mit einem Marschschritt, danach sollte ein Schneewalzer folgen, dem sich ein Rückwärtslauf anschließen sollte. Nach der fünfzigsten Runde, so Dreyer, wollte er dem Publikum ein ,Kosaken-Solo‘ bieten.“

Damit man wieder aus dem Tiergarten herausfindet, und nicht unfreiwillig suchend eine halbe Stunde dranhängen muß, bietet es sich am Anfang an, auf den mit Namen versehenen breiteren Wegen zu laufen und sich dort auch von Fußgängern und vor allem Radfahrern nicht schrecken zu lassen.

Schön ist es etwa, den Großen Weg, von der S-Bahn-Station Tiergarten beginnend am Neuen See entlangzulaufen, vor der zur Siegessäule führenden breiten Hofjägerallee kehrtzumachen und am Tiergartenufer zurückzulaufen. Die alternativen Strecken, quer über die Wiesen, kleinere Trampelpfade nutzend, kommen später. Mögliche Strecken gibt es im Tiergarten genug, und ein vietnamesisches Sprichwort lautet: „Umwege erhöhen die Ortskenntnis.“ Martin Krauß

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