Wortklauberei am Telefon: Maulkorb für die Streithähne
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und der SPD-Landeschef Ralf Stegner haben sich geeinigt und wollen in Zukunft nicht mehr über ein umstrittenes Telefonat reden.
Es war der letzte Fall des Tages, der in Raum B335 des Landgericht Hamburgs auf der Agenda stand. Zuvor hatte hier schon der Spiegel mit Youtube verhandelt, die Axel Springer AG war zweimal als Beklagter aufgetreten und der Prinz von Hohenzollern hatte sich mit der Prinzessin gezofft. Lauter Hochkaräter.
Nun stritten sich hier also die ehemaligen Koalitionspartner Ralf Stegner (SPD), der überraschend persönlich erschienen war, und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), der in Abwesenheit vom bekannten Promi-Anwalt Matthias Prinz vertreten wurde. Carstensen hatte Stegner öffentlich vorgeworfen, in einem Telefonat im Herbst 2007 über dessen Entlassung um Pensionsansprüche gefeilscht zu haben, der SPD-Politiker war gerichtlich dagegen vorgegangen.
Nach einer dreistündigen Verhandlung einigten sich die Streithähne auf einen Vergleich. Beide Seiten verpflichteten sich dazu, sich nicht mehr öffentlich zu der Streitfrage zu äußern.
Carstensens Anwalt Prinz hatte in der Verhandlung 25 Zeugenaussagen aufgeführt, die alle bestätigten, dass der Politiker auf der CDU-Sitzung am Abend des 17. September 2007 im Konventgarten in Rendsburg Stegner anrief, um ihn zu entlassen. Dabei soll Carstensen den Satz "Sie wollen doch jetzt nicht um ihre Pension feilschen" gesagt haben. Das bestätigten vor Gericht auch der jetzige Innenminister des Landes Klaus Schlie (CDU) und der CDU-Fraktionsvorsitzende Christian von Bötticher.
Doch ob Stegner auf der anderen Seite des Hörers um einen Aufschub des Rücktritts aus Sorge um seine Pensionsansprüche bat, das vermochte auch keiner der Zeugen mit Sicherheit zu bestätigen. "Das Gespräch hat aber so etwas vermuten lassen", sagte Bötticher. Sicher ist, dass es an diesem Abend mehrere Telefonate gab und dass der Rücktrittszeitpunkt Stegners Thema der Gespräche war.
Doch der SPD-Politiker bestreitet, dass sein Wunsch, erst im März sein Amt niederzulegen, mit der Angst um Pensionsansprüche zusammenhing. Er habe vielmehr die Verwaltungsstrukturreform zu Ende bringen wollen.
Auch wenn der Streit wer was wann gesagt haben soll nun beendet ist, die Dauerfehde zwischen den beiden Streithähnen wird wohl weitergehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier