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Woran erkennt man eine Hure?

■ Zweiter Welt–Prostituierten–Kongreß in Brüssel / 120 Prostituierte aus 15 Staaten diskutieren über Diskriminierung / Die internationale Presse wurde ausgeschlossen

Aus Brüssel Gitti Hentschel

„Ist sie eine oder ist sie keine?“ das war am Dienstag die zentrale Frage für die Reporter, die massenhaft die Eingänge des Europäischen Parlaments in Brüssel umlagerten. Die „Richtigen“ waren dann Prostitutierte, die aus aller Welt zum zweiten Welt–Prostituierten–Kongreß in Brüssel angereist waren, den das International Commitee Prostitute Rights angekündigt, und zu dem die Regenbogenfraktion ins Europa–Parlament geladen hatte. Unklar blieb, wodurch die Reporter die Huren von den anderen Frauen zu unterscheiden können glaubten. Etwa 120 Prostitutierte, Ex– Prostituierte und ihre Unterstützer/innen wie z.B. Rechstanwälte oder Angestellte im Gesundheitsbereich diskutierten dann über die besonderen Probleme der Prostituierten, vor allem über die Ver weigerung der Menschenrechte, über Gesundheitsprobleme und das Verhältnis von Prostitution und Feminismus. Hintergrund des Gegeifers der Journalisten an den Eingängen zum Europa–Parlament war ihr Ausschluß aus den zentralen Diskussionsveranstaltungen - die Prostituierten und ihre Unterstützer wollten aufgrund schlechter Erfahrungen ihre Probleme ohne die Sensationshascherei der Medien in Ruhe und Ernsthaftigkeit erörtern. Am ersten der insgesamt dreitägigen Konferenz ging es vor allem um eine Bestandsaufnahme der Situation von Prostituierten in den verschiedenen Ländern Europas, den USA, Australien und Asien, die zwar je nach Gesetzgebung in den Ländern sehr unterschiedlich ist; doch gleich ist eins: Überall werden Prostituierte diskriminiert und als Menschen zweiter Klasse behandelt, selbst wenn Prostitution, wie in Österreich, legal und zugelassen ist. Die schärfsten Verfolgungen erleiden sie aber in den Ländern, wo Prostitution als Verbrechen gilt. Dort werden die Frauen mit Geldstrafen oder Gefängnis belegt, während die Männer aber auch die dortigen Bordell– und Barbesitzer ungeschoren davonkommen. Nicht nur dort ist Mord an Prostituierten eine Delikt, das die Polizei für nicht aufklärenswert erachtet. Selbst in Ländern wie Österreich werden Prostituierten die Kinder abgenommen, als könnten sie keine guten Mütter sein. Die Entkriminalisierung und Enttabuisierung der Prostitution, der Kampf um ihre vollen Menschenrechte ist das zentrale Anliegen auf diesem zweiten Weltkongreß der Prostituierten, der nach Ansicht der Direktorin des ICPR, Margo St.James, der „Anfang einer Massenbewegung“ sein wird.

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