Wolfgang Neskovic über Linke-Vorstand: „Ich bin für Kipping und Wagenknecht“
Obwohl sie nicht will, plädiert Linke-Politiker Wolfgang Neskovic für Sahra Wagenknecht als Parteichefin. Gemeinsam mit Kipping würde sie eine überzeugende Spitze bilden.
taz: Herr Neskovic, warum geht es der Linkspartei so mies?
Wolfgang Neskovic: Das hat viele Gründe. Wir sind ein Kessel Buntes aus Ost und West mit sehr verschiedenen Biografien. Es ist nicht gelungen, diese zu einer schlagkräftigen Einheit zusammenzuführen.
Und wer ist schuld daran?
Schuld und Unschuld sind die falschen Kategorien. Wichtig ist, jetzt Personen zu finden, die in der Lage sind, die unterschiedlichen Gruppen zusammenzuführen. Das ist Gysi und Lafontaine nach 2005 gelungen. Schwierig ist die Situation nach dem krankheitsbedingten Rückzug von Lafontaine geworden. Seitdem sind die Machtkämpfe eskaliert.
Fällt die Partei auseinander?
63, ist rechtspolitischer Sprecher der Links-Fraktion im Bundestag. Zuvor war er Richter am Landgericht Lübeck, von 2002 bis 2005 am Bundesgerichtshof.
Ich glaube nicht, dass sie sich formal spalten wird. Aber mit Dietmar Bartsch als Vorsitzendem wird die Lage im Westen wirklich ernst. Ich fürchte, dass die Partei sich mit Bartsch zu einer ostdeutschen Regionalpartei zurückbildet – mit absehbarem Verfallsdatum.
Fast zwei Drittel der Parteimitglieder sind aus dem Osten. Und die Mehrheit der ostdeutschen Delegierten unterstützt Bartsch. Die können Sie nicht ignorieren.
Die Linke hat nur eine Chance, wenn sie sich von dem strömungsorientierten Proporzdenken löst. Sie hat nur eine Chance, wenn sie eine gesellschaftliche Alternative zu dem neoliberalen Konzept vertritt. Das versucht zum Beispiel das „Institut Solidarische Moderne“, in dem Linke, Grüne und Sozialdemokraten an einem solchen Gesellschaftsentwurf arbeiten. Es geht darum, diese Ideen voranzutreiben – ob Mann oder Frau, West oder Ost, sollte zweirangig sein.
Wer soll die Linkspartei führen?
Ich plädiere für Katja Kipping und Sahra Wagenknecht. Kipping kennt als stellvertretende Vorsitzende das Innenleben der Partei. Sie ist taktisch geschickt und beharrlich. Sie vertritt mit Herzblut ihre Inhalte – das bedingungslose Grundeinkommen und die Sanktionsfreiheit bei Hartz IV. Und sie arbeitet nicht nur im Parlament, sondern richtet sich auch an die gesellschaftliche und kulturelle Linke außerhalb des Parlaments. Und Wagenknecht kann mit ihrer Überzeugungskraft nach außen für unsere Positionen werben.
Aber polarisiert Wagenknecht nach innen nicht genau so, wie Sie es bei Bartsch vermuten?
Das entspricht nicht meiner Erfahrung. Wenn Wagenknecht im Osten auftritt, erfährt sie immer Zuspruch. Von Polarisierung kann keine Rede sein.
Nun will Wagenknecht aber nicht kandidieren – ob Parteivorsitzende ihrem Talent entspräche, mal ganz beiseitegelassen.
Sie will bisher nicht. Wenn sie antritt, wäre ihr auf dem Parteitag eine Mehrtheit wohl sicher. Sie und Kipping wären der einzige Weg, um zu verhindern, dass es mit der Partei weiter abwärts geht.
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