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Wolf-Dieter VogelLatin AffairsSchreib oder stirb – und stirb, wenn du darüber schreibst

Foto: privat

Gerade traf ich Alejandro Cegarra, einen venezolanischen Kollegen. Froh sei er, so sagt er, dass er nun hier in Mexiko-Stadt leben könne. Wir trafen uns in einem Café in einem der etwas sichereren Viertel, um uns auszutauschen. In Venezuelas Hauptstadt Caracas sei mittlerweile fast jeder Schritt außerhalb des Hauses lebensgefährlich geworden.

Dann aber spricht Cegarra von seinen jüngsten Erfahrungen, die ihn daran zweifeln lassen, ob sein Leben in Mexiko wirklich sicherer ist als in Venezuela. Zwei Tage war er im südlich der Hauptstadt gelegenen Bundesstaat Guerrero unterwegs. Als er gerade zu Mittag aß, warfen ihm Männer einen Müllsack vor die Füße, in dem sich eine zerstückelte Leiche befand. Selbstjustiz an einem Dieb. Er solle das fotografieren, forderten sie. Später geriet er in eine Schießerei zwischen Bürgerwehren, Polizisten und Kriminellen. Dann erklärte ihm ein Polizeibeamter, er solle nichts über die Region veröffentlichen, sonst werde man ihn töten.

So sieht der Alltag in einem Land aus, das Reporter ohne Grenzen als das gefährlichste für Medienschaffende außerhalb von Kriegsgebieten einschätzt. Elf Journalistinnen und Journalisten wurden dieses Jahr ermordet, mehr als in Syrien und dem Irak. Anfang Dezember reisten deshalb die Sonderberichterstatter für Pressefreiheit der UNO und der Interamerikanischen Menschenrechtskommission nach Mexiko. Nach Treffen mit 250 Medienschaffenden, Vertreterinnen der Zivilgesellschaft und zahlreichen Politikern kamen sie zu dem Schluss: In Mexiko fehlt der politische Wille, den Angriffen auf die Presse Einhalt zu gebieten.

Tatsächlich bleibt fast jede Attacke auf Journalisten straflos. Zudem bemüht sich die Regierung in diesen Tagen geradezu, die Gewalt noch weiter zuzuspitzen. Ein jetzt verabschiedetes Sicherheitsgesetz legitimiert den Einsatz des Militärs im Innern – ein Freibrief für eine Armee, die schon jetzt genug Zivilisten auf dem Gewissen hat. Und, so bestätigen die Sonderberichterstatter, eine weitere Gefahr für Medienschaffende.

Sehr gut also, dass sich der deutsche Botschafter in Mexiko, Viktor Elbling, für die Pressefreiheit starkmacht. Im November fand er bei der Verleihung des von deutschen Organisationen ausgelobten Walter-Reuter-Journalistenpreises deutliche Worte. Die Auszeichnung stand unter dem Motto „Rechtsstaat und Meinungsfreiheit in Mexiko“; gewonnen haben Kollegen, die zu einem Lauschangriff u. a. gegen Medienschaffende recherchierten, eine Korruptionsaffäre aufdeckten und sich mit dem im Mai ermordeten Reporter Javier Valdez beschäftigten.

Zwei Wochen später überreichte Elbling den Preis für Journalismus und Menschenrechte des Bundesstaates Oaxaca an drei Kolleginnen und Kollegen, die gegen korrupte Behörden, illegale Megaprojekte und den Terror der Mafia in der Region anschreiben und dabei ihr Leben riskieren. Auch bei dieser Verleihung war die deutsche diplomatische Vertretung maßgeblich beteiligt.

Nun liegt es an der Bundesregierung, den Faden ihres Diplomaten aufzugreifen. Denn die mexikanische Regierung reagiert nur auf spürbaren Druck von außen. Ein paar empörte Worte, wie sie Außenminister Sigmar Gabriel nach dem Tod von Valdez verlor, helfen da wenig. Sie verpuffen im Nichts, solange ein Globalabkommen mit der EU garantiert, dass der freie Handel auch dann weitergeht, wenn noch so viele Journalistinnen oder Linke ermordet werden. Das ist etwa so, wie wenn man den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan wegen der Verhaftung von Journalisten kritisiert und zugleich akzeptiert, dass ein deutsches Unternehmen in der Türkei eine Panzerfabrik baut. Free Deniz!

Wolf-Dieter Vogel berichtet für die taz aus Mexiko und Lateinamerika

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