Wohnungsnotfälle: Kampf der Kündigung
■ Modellprojekt setzt auf Prävention, um Obdachlosigkeit zu vermeiden
Während in Bremen erst jetzt daran gearbeitet wird, stärker präventiv gegen drohende Obdachlosigkeit anzugehen, anstatt die Betroffenen nach dem diskriminierenden Obdachlosenpolizeirecht unterzubringen (die taz berichtete), ist man in anderen Bundesländern schon viel weiter. In Nordrhein-Westfalen etwa gibt es seit 1996 ein 16 Millionen-Mark starkes Landesprogramm „Wohnungslosigkeit vermeiden – dauerhaftes Wohnen sichern“. Eine der Kommunen, die auf Vorbeugung statt auf Einweisung setzen, ist die Großstadt Duisburg.
Seit Anfang 1997 gibt es dort die beim Sozialamt der 534.000-Einwohner-Stadt angesiedelte zentrale „Fachstelle für Wohnungsnotfälle“. 50 Mitarbeiter-Innen kümmern sich darum, „Wohnungsverluste“ zu verhindern, Notunterkünfte abzubauen und soziale Brennpunkte zu entlasten – so die Ziele des 1996 vom Duisburger Stadtrat beschlossenen Wohnungsnotfallprogramms.
Bis 1997 habe man noch „Unmengen von ordnungsrechtlich Versorgten“ in der Stadt gehabt, berichtet Fachstellenleiter Peter Reiss – Menschen, die in insgesamt 25 Obdachlosenunterkünften und hunderten von beschlagnahmten Wohnungen untergebracht wurden. Für die Betroffenen sei dies stigmatisierend gewesen, und für die Stadt teuer, erinnert sich Reiss.
Und heute? „Wir bringen überhaupt nicht mehr unter“, sagt der Fachstellenleiter. Bis auf wenige Ausnahmen seien alle Unterkünfte geschlossen worden, und beschlagnahmten Wohnraum gebe es gar nicht mehr. Die Stadt spare jedes Jahr eine halbe Million Mark, weil die Verwaltungskosten weggefallen seien. Ganz im Gegensatz dazu Bremen: Hier gibt es noch rund 2.500 Wohnungen, in die von Obdachlosigkeit bedrohte Bürger nach Polizeirecht eingewiesen werden.
Besonderes Gewicht legen die Duisburger nach eigenen Angaben auf Prävention: „Je früher, je besser“ ist die Devise von Fachstellenleiter Reiss. Das bedeutet: Man bemüht sich, dass es erst gar nicht zu einer möglichen Zwangsräumung kommt. Die Fachstelle hat mit den Wohnungsbaugesellschaften vor Ort vereinbart, möglichst früh über Problemfälle informiert zu werden. Fünf Mitarbeiter sind laut Reiss vor allem im „Außendienst“ unterwegs – und machen das, was man andernorts „aufsuchende Sozialarbeit“ nennt: Sie besprechen mit vom Rausschmiss bedrohten Mietern, wie sie sich möglicherweise doch noch mit ihrem Vermieter einigen können, geben Tips zur Ratenzahlung, zu finanziellen Hilfen oder zum Umgang mit Schulden. Sie kümmern sich um Suchtberatung und andere Hilfsangebote. Es sei wichtig, die Selbsthilfe vor Ort zu stärken, betont Reiss. Wenn alle Stricke reißen würden, übernehme die Fachstelle auch die Miete. Oder gebe Mietausfallgarantien.
Müssen die Betroffenen trotzdem räumen, dann sollen sie in „völlig normale Wohnungen“ einziehen – so das Ziel der Einrichtung, die sich auch um Wohnungsvermittelung kümmert. Ein Vertrag mit dem Wohnungsamt gewährleistet, dass jährlich 150 Wohnungen für akute Fälle zur Verfügung stehen.
Für Peter Reiss ist die Gründung der Fachstelle, die die Stadt drei Millionen Mark Mehraufwand gekostet haben soll, eine Erfolgsgeschichte. Und die hat etwas mit „Kompetenzbündelung“ zu tun und einem deutlichen Akzent auf Prävention. Ob es in Bremen zu einer ähnlichen Neuorientierung kommen wird – wie vom Sozialressort gewünscht –, bleibt abzuwarten. hase
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