Wohnungsmarkt: Kreuzberger Häuserkämpfe
Die Aktiengesellschaft Deutsche Wohnen hat die GSW gekauft. In Kreuzberg suchen MieterInnen jetzt nach Schutzstrategien vor Wohnungsspekulationen.
Nur ganz kurz wurde es rebellisch bei der Versammlung, zu der die Mietergemeinschaft Kotti & Co. am Donnerstagabend AnwohnerInnen des Kottbusser Tors geladen hatte. „Ich sage nicht, dass man auch heute wieder Häuser besetzen soll!“, hatte Rainer Wahls vom Stadtteilbüro Friedrichshain gesagt, als er darauf hinwies, wie geschichtsträchtig Datum und Ort des Treffens seien. Am 12. Dezember 1980 hatte die Berliner Polizei erstmalig ein besetztes Haus geräumt. Am Kotti brachen damals Proteste los. Die Zahl der besetzten Häuser in Berlin stieg von 20 auf 200.
“Doch! Doch!“, tönte es als Antwort auf Wahls aus den Reihen der rund 40 MieterInnen, die sich im Café Südblock eingefunden hatten. Anlass war auch diesmal der umkämpfte Berliner Wohnungsmarkt. Konkret: der Verkauf der GSW-Wohnungen an die Aktiengesellschaft Deutsche Wohnen, der im November dingfest geworden ist. 60.000 sind das in Berlin, 8.000 in Kreuzberg, davon 1.000 im sozialen Wohnungsbau am Kottbusser Tor. Damit gehören dem Immobilienunternehmen in Berlin nun 108.000 Wohnungen – 6,5 Prozent des Bestands. Gerade die MieterInnen der Sozialwohnungen hätten zunächst zwar wenig durch den Verkauf zu befürchten, so die Experten auf dem Podium. Ihre Mieten sind derzeit noch begrenzt. Die Frage sei aber, wie lange noch, so der Wohnungswirtschafter Jan Kuhnert: „Politische Beschlüsse haben immer ein Verfallsdatum.“
Strategien müssen deshalb her, wie sich MieterInnen langfristig gegen Mieterhöhungen oder den Verkauf ihrer Wohnungen als Eigentumswohnungen wehren können. Darum ging es bei der Diskussion – die auch zeigte, was auf dem Berliner Wohnungsmarkt seit den Achtzigern alles falsch lief. Etwa, dass die Bezirke, die einst Hauseigentümer und Vermieter waren, mittlerweile selbst quasi Mieter geworden sind: Durch Mietzuschüsse subventionieren sie heute die Eigentümer, die mit Mietsteigerungen ihr Geld verdienen. Sozialleistungen wandern so in die Taschen von Spekulanten: 45 Milliarden Euro bundesweit pro Jahr, so Kuhnert.
Sein Vorschlag für nachhaltigen Mieterschutz: Rückkauf von Wohnungen durch das Land, Wiedereinrichtung von gemeinnützigen und damit steuerentlasteten öffentlichen Wohnungsgesellschaften. Für die anwesenden MieterInnen zwar eine gute Idee, aktuell aber wenig hilfreich. Man prüfe, ob der in Teilen Kreuzbergs bestehende Milieuschutz auf ihre Wohnungen ausgedehnt werden könne, tröstete Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne): „Wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, werden wir das auch tun.“ Damit können mietsteigernde Modernisierungsmaßnahmen beschränkt werden.
Jobcenter sollten Mitgliedsbeiträge für Mieterschutzorganisationen übernehmen, schlug Wahls vor. Wenn durch deren Beratung Mieterhöhungen verhindert würden, „rechnet sich das auch für die öffentliche Hand“, so Wahls. Das habe sich etwa in Hamburg gezeigt, wo die Jobcenter bereits so verfahren.
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