Wohnungsbrand in Köln: Brandursache noch ungeklärt
Politiker und Behörden weisen Vorwürfe aus der Türkei zurück, die Ermittlungen würden einseitig geführt. Das Außenamt in Ankara hatte sich besorgt gezeigt
BERLIN taz | „Die türkische Regierung weiß, dass sie durch Angriffe auf Deutschland innenpolitisch Punkte sammeln kann“, kritisiert Memet Kilic, der integrationspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, am Dienstag gegenüber der taz. „Hier wird ein Feindbild aufgebaut, und die türkeistämmigen Migranten hierzulande werden dafür instrumentalisiert.“
Kilic ärgert sich über den türkischen Vizepremier Bekir Bozdag. Der hatte am Montag geargwöhnt, bei dem Brand in einem überwiegend von Türken und Italienern bewohnten Haus in Köln hätten die deutschen Behörden zu schnell einen rechtsextremen Hintergrund ausgeschlossen. Der Kölner Oberstaatsanwalt Alf Willwacher wies den Vorwurf zurück. „Eine entsprechende Erklärung haben wir nie verbreitet.“ Die Ermittlungen gingen weiter „in alle Richtungen“. Die Kölner Feuerwehr hatte bei dem Brand im Stadtteil Höhenberg am Samstag mehrere Menschen gerettet, aber auch die Leichen eines 30-jährigen Mannes und einer 19-jährigen Frau geborgen. Die Ursache des Feuers ist bislang nicht bekannt.
„Man darf sich nicht wundern, wenn solche Vorwürfe aus der Türkei kommen“, findet dagegen die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen. „Gerade was die Verfolgung rassistischer und fremdenfeindlicher Straftaten angeht, hat die deutsche Polizei und Justiz bisher nicht gerade den Eindruck hinterlassen, dass eine lückenlose Aufklärung und Verfolgung zu ihren obersten Prioritäten gehörten“, sagte sie der taz. Ähnlich äußerte sich der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime (KRM), Aiman Mazyek. „Die muslimische Bevölkerung ist stark verunsichert“, sagte er. Die Politik müsse diese Ängste viel ernster nehmen.
Das türkische Außenministerium in Ankara äußerte sich am Dienstag besorgt über einen angeblichen „Anstieg derartiger Brandfälle in Deutschland“. Am Osterwochenende kam es in Deutschland noch zu weiteren Hausbränden: In Flensburg kam dabei eine Frau ums Leben, in Luckenwalde starb in der Nacht zu Dienstag ein 46-jähriger Mann. In Hamburg dagegen konnte die Feuerwehr am Sonntagabend drei Menschen aus einem brennenden Haus retten.
Rund 188.000 Brände und Explosionen gebe es jedes Jahr in Deutschland, sagte Silvia Darmstädter, Pressesprecherin des Deutschen Feuerwehrverbands, der taz. Im Jahr 2010 seien 373 Menschen bei Bränden ums Leben gekommen, davon 328 in ihrer privaten Wohnung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel