Wohnungen für Hartz-IV-Empfänger: Fünf Quadratmeter mehr Platz
Langzeitarbeitslose in Nordrhein-Westfalen dürfen jetzt eine größere Wohnung haben, sagt das Bundessozialgericht. In Berlin sind größere Wohnungen zu teuer.
BERLIN taz | Arbeitslosengeld-II-Empfänger in Nordrhein-Westfalen dürfen jetzt in etwas größeren Wohnungen leben: Nach einem kürzlich ergangenen Urteil des Bundessozialgerichts müssen einem alleinlebenden Empfänger von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) künftig 50 Quadratmeter Wohnfläche zugestanden werden. Bisher galt ein Richtwert von 45 Quadratmetern.
Das Bundessozialgericht verwies in seinem jüngsten Urteil auf seine Entscheidung aus dem Jahr 2009. Danach orientiert sich die „Angemessenheit“ der Unterkunftskosten an den landesrechtlichen Bestimmungen zum Wohnraumförderungsgesetz: Nach diesen stehen MieterInnen im sozialen Wohnungsbau 50 Quadratmeter zu.
Gegen Empfänger von Hartz-IV-Leistungen laufende Kostensenkungsverfahren wegen zu großer Wohnungen „werden daher gestoppt“, erklärte Andreas Kletzander, Sprecher des Jobcenters Wuppertal, der taz. Harald Thomé, Vorsitzender der Sozialberatung Tacheles, forderte von den Jobcentern und Sozialverwaltungen in Nordrhein-Westfalen, alle Kostensenkungsaufforderungen rückwirkend zum Jahr 2010 für unwirksam zu erklären. Dank der Heraufsetzung der Quadratmeterzahl erhalten alleinstehende Hartz-IV-EmpfängerInnen in Wuppertal jetzt bis zu 242 Euro Monatskaltmiete erstattet, bisher waren es 218 Euro.
Sanierungen: Vermieter sollen die Sanierung ihrer Wohnung leichter durchsetzen und die Kosten auf die Mieter umlegen können. Das beschloss das Kabinett am Mittwoch. Laut dem Gesetz aus dem Justizministerium können sich Mieter nun nicht mehr gegen eine energetische Sanierung stemmen, wenn diese die Nebenkosten senkt. Sie können dann auch nicht mehr wegen Baulärms die Miete für drei Monate mindern. 11 Prozent der Sanierungskosten können weiter jährlich auf die Miete umgelegt werden, allerdings darf sie nicht über das Niveau vergleichbarer Wohnungen hinausschießen.
Sinn: Damit will die Regierung die Dämmung von Häusern schneller vorantreiben und Energiesparen attraktiver machen. Mit der Reform wolle man den "schlafenden Riesen" der Energieeffizienz im Gebäudebereich wecken, sagte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).
Mietnomaden: Die Vermieter werden nach dem Gesetzentwurf zudem besser vor sogenannten Mietnomaden geschützt. Mietnomaden wechseln häufig ihre Wohnung, nachdem sie monatelang nicht gezahlt haben. Bei Prozessen sollen sie jetzt verpflichtet werden, die aufgelaufene Mietschuld als Kaution zu hinterlegen.
Schutz vor Eigentumsklagen: Umgekehrt sollen Mieter besser vor der Umwandlung ihrer Wohnung in Eigentum geschützt werden. So soll ausgeschlossen werden, dass sich Personengesellschaften mit dem Ziel zusammenfinden, ein Mietshaus zu kaufen und dann auf Eigenbedarf für ihre Mitglieder zu klagen. (rtr)
In den meisten Bundesländern gilt für alleinlebende Hartz-IV-EmpfängerInnen bereits eine Obergrenze von 50 Quadratmetern. Dort schwelt der Streit über die geltenden Mietpreisgrenzen, die aus der Quadratmeterzahl und den Bestandsmieten für Wohnungen in „einfacher Lage“ errechnet werden.
Bei Neuanmietungen werden höhere Mieten verlangt
So gilt in Berlin für alleinlebende Hartz-IV-EmpfängerInnen seit Mai eine Mietobergrenze von 396 Euro warm für eine Einzimmerwohnung mit Fernwärme, sagte Franciska Obermeyer, Sprecherin der Berliner Senatsverwaltung. Bei einer Neuanmietung werden aber oft höhere Mieten verlangt.
Initiativen wie die Berliner „AG Wohnen“ der Erwerbslosen in der Gewerkschaft Ver.di rügen deshalb, dass sich der Mietspiegel auf „Bestandsmieten“ bezieht. „Die Kosten der Angebotsmieten bei einer Neuanmietung“ würden nicht abgebildet, heißt es in einer Stellungnahme.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“