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WohnraumErhalt um jeden Preis

Die Wohnanlage „Elisa“ zu sanieren ist teuer als sie abzureißen, besagt eine neue Studie. Die Mieter wollen dennoch die Sanierung.

Für die einen liebenswertes Gebäude, für die anderen abrissreifer Klotz: Wohnanlage Elisa. Bild: Nils Holsten

Die Vereinigte Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft (VHW) hält gegen den Wunsch der MieterInnen weiter am Abriss der Wohnanlage am Elisabethgehölz in Hamm fest. Ein weiteres Prüfgutachten habe nun bestätigt, dass durch die Statik des Backsteinensembles eine Sanierung von „Elisa“ zu kostspielig sei. Die Genossenschaft plant stattdessen einen Neubau mit 130 Wohnungen.

Bereits im Februar 2013 hatte die VHW den Abriss verkündet. Der Abrissantrag wurde jedoch noch vor dem Ende des runden Tisches gestellt, an dem seit Januar 2012 Bezirkspolitiker und MieterInnen sowie VertreterInnen des Mietervereins zu Hamburg und der VHW über die Zukunft von Elisa diskutieren.

Im Zuge des runden Tisches wurden vom Architekturbüro Dittert & Reumschüssel die Kosten einer möglichen Sanierung und Modernisierung, eines Teilabrisses sowie eines Abrisses mit Ersatzneubau geprüft. Während die Mieterinitiative „Rettet Elisa“ eine Sanierung und Modernisierung fordert, will die VHW das Gebäude abreißen und mit Förderung der Stadt einen Neubau errichten.

Der Elisa-Konflikt

August 2011: Die Vereinigte Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft (VHW) stellt einen Abrissantrag und erhält eine Leerstandsgenehmigung MieterInnen gründen die Initiative "Rettet Elisa". Durch öffentlichen Druck wird der Abrissantrag bis Oktober 2012 zurückgestellt.

Januar 2012: Runder Tisch mit Bezirkspolitikern, Vertretern des Mietervereins, der VHW und der Initiative. Ein Gutachten soll die Optionen Sanierung, Teilabriss und Abriss prüfen.

Februar 2013: Abrissantrag der VHW trotz Rundem Tisch

März 2013: Die VHW verkündet auf einer Mieterveranstaltung den Abriss von Elisa.

Unabhängige Prüfung

Die VHW ließ die Statik der Gebäude prüfen und begründete mit dem Gutachten des PrüfbüroTonne ihre Abrissentscheidung. Da das Gutachten weder den MieterInnen noch den VertreterInnen des runden Tisches in schriftlicher Form vorgelegt wurde, sollte eine dritte unabhängige Prüfung erfolgen. Diese zusätzliche Prüfung durch das Jörss Blunck Ordemann Ingenieurbüro für Bauwesen kommt nun ebenfalls zu dem Ergebnis, dass eine Sanierung sehr kostspielig und dazu nicht nachhaltig wäre.

„Die statische Beschaffenheit des Gebäudes würde im Fall einer Sanierung so umfangreiche Ertüchtigungen der Bausubstanz sowie zeitgemäße Anpassungen des Brand- und Schallschutzes erforderlich machen, dass diese für uns im Sinne von Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit keinen gangbaren Weg darstellt“, sagt Marco Hahn, Mitglied des Vorstands der VHW. Die Genossenschaft verspricht, mit dem Mieterverein eine Rahmenvereinbarung über den Auszug der MieterInnen zu vereinbaren. „Wir stehen hierbei weiter zu unserem Wort, was Entschädigungen, garantiertes Rückkehrrecht und eine Monatsmiete von 5,90 Euro pro Quadratmeter im Neubau angeht“, so Hahn.

Die BewohnerInnen wünschen sich etwas anderes. Die Mieterinitiative fordert weiter eine Sanierung ohne erhöhten Schall- und Brandschutz, die nach Meinung des Architekten Joachim Reinig möglich ist. Dafür wären sie auch bereit, eine höhere Miete von bis zu sieben Euro pro Quadratmeter zu akzeptieren.

„Wir hätten gern mit der Genossenschaft zusammen einen Plan ausgearbeitet, um dieses liebenswerte Gebäude und unsere Heimat zu erhalten“, sagt ein Mitglied der Initiative. „Stattdessen tritt die VHW das genossenschaftliche Prinzip mit Füßen.“

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3 Kommentare

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  • B
    Berti

    Weg mit den Hütten ! Der Protest gegen den Abriss ist doch reiner Selbstzweck - ich denke wir brauchen neuen Wohnraum?

  • PD
    Prof. Dr. Thomas Cirsovius

    Der von der VHW favorisierte Ersatzneubau ist gegenüber einer Sanierung wohl nur wirtschaftlicher, soweit staatliche Fördermittel hierfür bereitgestellt werden. Wenn die Öffentliche Hand statt sog. Ersatzneubauvorhaben verstärkt Sanierungen förderte, würde sich die Wirtschaftlichkeitsberechnung grundlegend anders darstellen. Dies läge auf die Dauer m. E. auch im betriebswirtschaftlichen Interesse der Genossenschaften, weil gleichfalls für manch anderes Gebäude mit Sanierungsstau Mittel bereitstünden. Allemal läge die Förderung von Sanierungen statt sog. Ersatzneubauten im Interesse der Stadt: Durch den geplanten Abriss würden nämlich zunächst 122 Wohnungen beseitigt und Jahre später durch ca. 130 Wohnungen ersetzt werden: Es kreißt der Berg und gebiert eine Maus ...

  • Q
    "Rettet-Elisa!"

    Tazleserbrief

     

    Sehr geehrte Taz!

     

    Vielen Dank für Ihren Bericht vom 25.4.13, jedoch bedarf es der Richtigstellung einiger Fakten:

     

    Erstens:

    Das Gutachten Jörss-Blunck-Ordemann hatte nicht, wie Sie schrieben, zum Auftrag eine "Kostpieligkeit" und Nachhaltigkeit einer Sanierung zu prüfen oder zu bewerten.

    Es sollte die Tragfähigkeit der Statik im Falle verschiedener Sanierungsvarianten überprüfen.

     

    Zweitens:

    Das Ergebnis vom 18.4.13 lautet:

     

    „Bei einer Dacherneuerung ohne zusätzlichen Ausbau mit nur einer geringen Erhöhung der Dachlast kann von einer Bestandsgarantie ausgegangen werden.

     

    Bei einer größeren Sanierung sind die heutigen Bauvorschriften einzuhalten. Das bedeutet umfangreiche Verstärkungsmaßnahmen der tragenden Bauteile bei Decken und Wänden und eventuell der Fundamente.“

     

     

    Das heißt:

     

    1. Die am Runden Tisch abgesprochene Sanierungs-Variante 2 (Gutachten 2012) ohne Grundrißveränderungen und ohne erhöhten Schall- und Brandschutz ist machbar und genehmigungsfähig.

    2. Damit ist die Behauptung der vhw vom März 2013, keinerlei Sanierung Elisas sei aufgrund der Statik möglich, unrichtig.

    3. Dass eine Sanierung zu kostspielig und dazu nicht nachhaltig sei, ist eine Interpretation der vhw, und mitnichten ein Ergebnis irgendeines Gutachtens.

     

    Genau dieser Sachverhalt wäre jedoch zu untersuchen und – endlich – die „Variante 2“ ernsthaft zu überprüfen.

    Auch wenn die vhw immer wieder öffentlich äußert, sie werde Elisa abreißen, so sind wir aufgrund der Widerlegung der vhw-Argumente und der Faktenlage wieder an dem Punkt, wo der Runde Tisch Ende letzten Jahres aufgehört hat!

     

    Die Mieterinitiative „Rettet-Elisa!“